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Politik: Erfolgsrezept Vernunftehe

Von der Währungsunion bis zum Agrarkompromiss: Was Europa der deutsch-französischen Partnerschaft verdankt

Wann immer Deutschland und Frankreich sich politisch einig sind in Europa, bilden die beiden Staaten ein Kraftzentrum, das die anderen EU-Staaten zumindest nicht ignorieren können. Der jüngste Vorschlag von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac für eine EU-Verfassung, den der EU-Konvent zu Beginn dieser Woche unter die Lupe nahm, hat dies wieder deutlich gemacht. Dass Deutschland und Frankreich in der EU überhaupt zum viel beschworenen „Motor“ werden konnten, geht auch auf den Elysée-Vertrag zurück. Allerdings war das deutsch-französische Paar in den letzten 40 Jahren auch vor Irritationen nicht gefeit.

Einen unmittelbaren Erfolg konnten Bundeskanzler Konrad Adenauer und Frankreichs Präsident Charles de Gaulle, die Gründerväter des Elysée-Vertrages, im Sommer 1963 vorweisen. Bei dem ersten der regelmäßigen gegenseitigen Konsultationstreffen, zu denen sie sich im Januar 1963 verpflichtet hatten, wurde im Juli 1963 das Deutsch-Französische Jugendwerk aus der Taufe gehoben.

Anschließend hielten die Regierungen in Bonn und Paris an dem regelmäßigen Austausch fest, aber die politische Großwetterlage änderte sich: Mit Ludwig Erhard wurde im Herbst 1963 ein überzeugter Atlantiker Kanzler, und gegen Ende des Jahrzehnts rückte die Ostpolitik in den Blickpunkt. Obwohl Willy Brandt mit seinem Gegenüber auf französischer Seite, dem Präsidenten Georges Pompidou, keinen übermäßig herzlichen Kontakt pflegte, hat der damalige Kanzler die Beziehungen zu dem Nachbarn im Westen nie aus dem Blick verloren. Die Verbindung mit Frankreich habe grundlegenden Charakter, erklärte Brandt. In Frankreich wurde sein Wort von der „Entente élémentaire“ gerne gehört.

Die Verbindung sollte weitere Früchte tragen: Helmut Schmidt und Valéry Giscard d’Estaing schufen in den siebziger Jahren die Grundlage für das Europäische Währungssystem, das zum Vorläufer des Euro werden sollte. Für Helmut Kohl und François Mitterrand, die sich auf den früheren Schlachtfeldern von Verdun noch im September 1984 die Hand gereicht hatten, sollte der Fall der Mauer später zum Testfall für die deutsch-französischen Beziehungen werden. Noch im Dezember 1989 stattete Mitterrand der DDR einen Besuch ab.

Frankreich machte aber schnell seinen Frieden mit dem neuen Deutschland: Im Juli 1994 nahmen deutsche Soldaten als Teil des Eurokorps – übrigens auch eine Schöpfung Kohls und Mitterrands – an einer Truppenparade auf den Champs-Elysées teil. Zu Irritationen zwischen den beiden Partnern kam es erneut im Dezember 2000, als Kanzler Schröder und Frankreichs Präsident Chirac bei dem EU-Gipfel in Nizza über die künftige Stimmengewichtung in den EU-Ministerräten stritten. „In Nizza ist etwas zerbrochen“, sagte anschließend ein französischer Diplomat. Schröder und Chirac gelang aber im vergangenen Oktober ein Kompromiss zur Finanzierung der EU-Agrarausgaben bis ins Jahr 2013, der die Erweiterung der Europäischen Union bezahlbar machen soll.

Trotz dieser Erfolge führen Deutschland und Frankreich im Grunde aber eine Vernunftehe. „Man müsste den 40. Jahrestag des Elysée-Vertrages zu einem Tribunal umfunktionieren.“ So lautet das scharfe Urteil von Ingo Kolboom, Frankreichexperte an der Technischen Universität Dresden und Mitglied des deutsch-französischen Kulturrates. Denn gerade im kulturellen Bereich klaffen Anspruch des Elysée-Vertrages und Wirklichkeit weit auseinander. Laut Vertrag soll „die Zahl der deutschen Schüler, die Französisch lernen, und die der französischen Schüler, die Deutsch lernen“, erhöht werden. In den letzten 40 Jahren ist dies allerdings nicht gelungen.

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