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Politik: Erfurter Modell

In Thüringen sind die Grünen offen für ein Bündnis mit der Union. Ob Althaus mitmacht, ist unsicher

Von Matthias Meisner

Am liebsten würden sie das Feiern schon beginnen. Eine Woche vor der Landtagswahl in Thüringen sind die Grünen im Freistaat in Hochstimmung. „Schon irre“ sei die Zustimmung für ihre Partei im Wahlkampf, sagt Spitzenkandidatin Astrid Rothe. Einen solchen Zuspruch „gab es noch nicht, ein richtiger Quantensprung“, fügt die Landeschefin hinzu. Umfragen sagen der Öko-Partei einen Stimmenanteil von bis zu sieben Prozent voraus. Der Einzug in den Erfurter Landtag könnte ein Signal auch für Sachsen und Brandenburg geben, wo im Herbst neue Landtage gewählt werden: Auch dort hoffen die Grünen nach zehn Jahren außerhalb des Parlaments, die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen.

Wenn jetzt bloß nicht, fast in letzter Minute, etwas schief geht: etwa, dass sich wegen einer Schwarz-Grün-Debatte verunsicherte Wähler abwenden. Peinlich bemüht sind die Spitzen-Grünen aus Land und Bund, immer wieder auf die großen inhaltlichen Differenzen zwischen CDU- und Grünen-Politik hinzuweisen. „Schwatz-Grün“, sagt etwa der Bundestagsabgeordnete Werner Schulz, der vor zehn Jahren noch ganz anders geredet hatte. Damals hatte er kurz vor der Landtagswahl in Sachsen mit schwarz-grünen Gedankenspielen Schlagzeilen gemacht – und dann hatte die Partei den Einzug in den Dresdener Landtag verfehlt. „Ich bin ein gebranntes Kind“, sagt Schulz heute. Und rät: „Jegliche Koalitionsdiskussion ist schädlich, irritierend.“ Antje Hermenau, Spitzenkandidatin in Sachsen, kann gar darauf verweisen, dass ihr Landesverband eine schwarz-grüne Koalition nach der Landtagswahl ausdrücklich ausgeschlossen hat. Auf einen Erfolg ihrer Parteifreunde in Thüringen wartet sie gleichwohl gespannt. „Dann türmen sich auch in Sachsen die Stimmen sehr schnell auf“, ist sie sich sicher.

Thüringens Grüne ziehen ohne Koalitionsaussage in die Wahl. Katrin Göring-Eckardt, die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, wiegelt ab, was das Thema Schwarz-Grün angeht. Sie, die auch Ko-Vorsitzende des Landesverbandes ist, meint, bevor diese Frage ernsthaft zu beantworten sei, hätte die CDU „einige Fragen“ zu beantworten. Sie verweist auf unterschiedliche Positionen etwa in der Gentechnik-, Bildungs- und Verkehrspolitik. Völlig ausschließen will sie Koalitionsgespräche mit der Union nicht: „Wir würden ein Gesprächsangebot natürlich nicht ausschlagen.“ Zugleich versichert die Spitzen-Grüne, ihr Wechsel nach Erfurt stehe nicht zur Diskussion: „Ich bleibe in Berlin. Wir haben dort nicht so viele Ostdeutsche in wichtigen Positionen.“

Bisher bleibt es in erster Linie Angelegenheit von Nicht-Politikern, das Thema am Köcheln zu halten. So von Michael Militzer, Chef des Vereins der Thüringer Automobilzulieferer. In der „Thüringer Allgemeinen“ hat er – nach der CDU-Alleinherrschaft – Schwarz-Grün bereits als zweitbeste Lösung angepriesen. „Die Grünen verfügen über kompetente Fachleute und über eine reformorientierte Programmatik“, meint der Industrieboss. Auch in thüringischen Kirchenkreisen gilt eine schwarz-grüne Landesregierung als attraktiv – zumal wenn die Alternative ein rot-rotes Bündnis wäre.

Was nach der Wahl sein wird? „Wir sind in einer sehr komfortablen Lage. Wir können abwarten, wer mit uns reden möchte“, erklärt Rothe. Und auch Schulz deutet an, dann schon offener sprechen zu können. „Die SPD hat alle politischen Konstellationen erprobt. Die Grünen müssen ebenfalls sehen, wie sie ihre Kompetenzen am ehesten unterbringen können.“ Auch wenn CDU-Ministerpräsident Dieter Althaus derzeit Schwarz-Grün kategorisch ablehnt, halten es Beobachter für denkbar, dass er den Grünen letztlich doch Gespräche anbietet. Womöglich aber auch nur, um die schwache SPD vor der Festlegung auf eine große Koalition zusätzlich zu demütigen.

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