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Politik: Erkannt, aber nicht gebannt

Oft ist in Zusammenhang mit den Anschlägen in New York und Washington darüber geklagt worden, dass es in Deutschland vor dem 11. September 2001 kein Bewusstsein und keine Aufmerksamkeit für das Problem des islamistischen Terrors gegeben habe.

Von Hans Monath

Oft ist in Zusammenhang mit den Anschlägen in New York und Washington darüber geklagt worden, dass es in Deutschland vor dem 11. September 2001 kein Bewusstsein und keine Aufmerksamkeit für das Problem des islamistischen Terrors gegeben habe. Für die öffentliche Debatte mag diese Kritik im Großen und Ganzen zutreffen. Aber wo es um die im Umfeld und innerhalb der Bundesregierung arbeitenden Experten für Sicherheitspolitik geht, ist diese Behauptung falsch. Das beweist das "Kompendium zum erweiterten Sicherheitsbegriff", das kürzlich erschienen ist.

Zum Thema Online Spezial: Kampf gegen Terror Afghanistan: Wege jenseits der Bomben Bundeswehr-Einsatz: Deutschland und der Krieg Fotos: Krieg in Afghanistan Das von der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, einer zentralen Fortbildungsstätte der Regierung, herausgegebene Werk ist im Juli dieses Jahres, also nur zwei Monate vor den Attacken in den USA, abgeschlossen worden. Trotzdem staunt der Leser, wie detailliert etwa im Kapitel Terrorismus über Osama bin Laden geschrieben wird - lange bevor der saudische Milliardärssohn in der Öffentlichkeit zum Begriff wurde. Die regierungsamtlichen und regierungsnahen Fachleute, die an der Bundesakademie zusammenkommmen, waren offenbar schon viel früher auf sein Terror-Netzwerk Al Qaida aufmerksam geworden.

Als Vorschläge zur Bekämpfung der Bedrohung nennt der Terrorismus-Beitrag übrigens eine Reihe von Schritten, zu denen sich nach dem 11. September die Allianz gegen den Terror tatsächlich entschlossen hat: Problembewusstsein schaffen, internationale Kooperation der Geheim- und Sicherheitsdienste oder die Austrocknung finanzieller Quellen. Nur die Gefährlichkeit der Krise in Afghanistan unterschätzten die Experten offensichtlich, so dass sie den Entwicklungen in dem potenziell gefährlichen Kriegsland kaum mehr als ein paar Zeilen widmeten. Auch ein Phänomen wie das der terroristen "Schläfer", die jahrelang unbemerkt in Deutschland lebten, konnten sie sich offensichtlich nicht vorstellen.

Aber es wäre unfair, das Werk nur an seinem Wissen über die gegenwärtig spektakulärste und möglicherweise auch gefährlichste Herausforderung der Sicherheit in Deutschland zu messen. Denn den Wert dieses rund 900 Seiten starken Buches macht die Tatsache aus, dass sein Sicherheitsbegriff sehr weit gefasst ist und neben den klassischen politischen und militärischen Faktoren etwa auch soziale und ökologische Entwicklungen gleichberechtigt behandelt.

Nach Grundlagendarstellungen zur Europäischen Union bietet der Band deshalb nicht nur regionale Übersichten, sondern auch Kapitel etwa über Armut, Bevölkerungsentwicklung, Umweltschäden, Wassermangel oder Aids als weltweite Sicherheitsrisiken. In knappen Darstellungen handeln Fachautoren auch die Politik der großen Mächte und die Rolle der internationale Organisationen und Akteure wie die der Vereinten Nationen, der Welthandelsorganisation (WTO) oder der Nichtregierungsorganisationen (NRO) ab.

Die Mission des Michael Steiner

Den grundlegenden Artikel zu den "deutschen sicherheitspolitischen Interessen" für das Kompendium hat noch Michael Steiner verfasst - jener Abteilungsleiter im Kanzleramt, der kürzlich wegen eines Wutausbruchs und deftigen Kraftausdrücken sein Amt verlor. Was er beschreibt und was im letzten Teil des Werkes ausgeführt wird, ist nicht an seine persönliche Handschrift gebunden, sondern breite Grundlage der Regierungspolitik: Die Autoren, die in drei Kapiteln "sicherheitspolitisches Mangagement im 21. Jahrhundert" vorstellen, heißen Heidemarie Wieczorek-Zeul, Klaus Naumann und Bodo Hombach, die Entwicklungshilfeministerin, der ehemalige Generalinspekteur und der langjährige EU-Beauftrage für den Stabilitätspakt auf dem Balkan.

Auch im deutschen Umgang mit dem Problem Afghanistan lässt sich der in dem Buch dargestellte Dreiklang von Krisenprävention (Entwicklungshilfe), Krisenreaktion (zur Not Militär) und Krisennachsorge (Wiederaufbauhilfe) studieren - die Bereitschaft zur Hilfe für Afghanistan war auf deutscher Seite auch in den vergangenen Jahren gegeben, doch stand dem die Taliban-Herrschaft entgegen. Auch in dem Konflikt, der die deutsche Sicherheitspolitik momentan am meisten fordert, beweist sich damit die Nützlichkeit dieses sehr umfassenden, sehr präzisen und zudem übersichtlichen Nachschlagewerks, das unbedingt zu empfehlen ist.

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