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Ermittlungen gegen Netzpolitik.org: Kanzleramt kannte Strafanzeige früh

Das Bundeskanzleramt ist bereits im April über drohende Ermittlungen gegen Journalisten informiert worden. Damit rückt Kanzleramtschef Peter Altmaier in den Mittelpunkt der Affäre.

In der Affäre um das Internetportal „Netzpolitik.org“ hätte das Bundeskanzleramt frühzeitig bei den drohenden Ermittlungen gegen Journalisten eingreifen können, hat es aber unterlassen. Die Regierungszentrale war von der Anzeige des Verfassungsschutzes bereits knapp einen Monat umfassend informiert, bevor der Generalbundesanwalt ein Verfahren wegen Landesverrats einleitete.

„Verfassungsschutzpräsident Maaßen hat bei Gremiensitzungen am 21. und 22. April über die Tatsache, dass er Anzeige erstattet hat, berichtet“, sagte ein Regierungssprecher dem Tagesspiegel. Bisher hatte das Kanzleramt nur mitgeteilt, vom Ermittlungsverfahren gegen die Blogger aus der Presse erfahren zu haben. Das Justizministerium wusste ebenfalls seit 21. April durch eine Dienstbesprechung, dass der Generalbundesanwalt in Karlsruhe einen „Prüfvorgang“ wegen der Anzeigen eingeleitet hat. Justizminister Heiko Maas (SPD) mischte sich jedoch erst im August in den Vorgang ein und ließ die laufenden Untersuchungen stoppen, nachdem das Bekanntwerden der Ermittlungen öffentliche Proteste hervorgerufen hatte. Kanzlerin Merkel hatte den Kurs von Maas ausdrücklich unterstützt.

Nun rückt Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) in den Mittelpunkt der Affäre. Angesichts der aus dem NSA-Untersuchungsausschuss gesickerten Informationen hatte er im vergangenen Jahr mehrfach gedroht, den Verrat von geheimen Regierungsdokumenten den Strafverfolgungsbehörden zu melden. Medienberichten zufolge hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) jedoch gegen eine solche Maßnahme ausgesprochen. Ob Altmaier jetzt auch persönlich von der Anzeige gewusst habe, ließ der Regierungssprecher offen. Im vergangenen Jahr waren im Kanzleramt zudem zwei interne Prüfverfahren nach Geheimschutzverstößen durchgeführt worden, die sich auf Presseberichte bezogen.

Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, hatte sein Vorgehen im Vorfeld mit dem Innenministerium abgestimmt. Staatssekretärin Emily Haber hielt es jedoch nicht für nötig, die Absichten bei Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zu melden. Auch andere Mitglieder der Bundesregierung waren im Vorfeld der Anzeige nicht informiert, teilte die Regierung auf Anfrage des Linken-Abgeordneten Jan Korte mit. Ob Merkel zumindest im Nachgang der Gremiensitzungen im April über den Vorstoß Maaßens informiert wurde, ist unklar.

Die Regierung verteidigt sich damit, dass sich die Anzeige Maaßens offiziell gegen unbekannt gerichtet habe. Tatsache ist jedoch, dass im Sachverhalt, den der Anzeigentext schildert, die Veröffentlichungen von „Netzpolitik“ dargelegt und dessen Betreiber genannt werden. Die Anzeigen erwähnen auch das Vertrauensgremium des Bundestags, das mit den geheimen Dokumenten befasst war. Damit dürfte allen Beteiligten schon bei der Abstimmung im Vorfeld und erst recht nach Erstattung der Anzeige klar gewesen sein, dass die Anzeige auf Journalisten und Abgeordnete zielt. Welche Mitarbeiter im BfV mit den Papieren befasst waren, wurde in den Anzeigen verschwiegen.

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