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US-Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton bei einem Auftritt in Glen, New Hampshire

© AFP/Darren McCollester/Getty Images

Ermittlungen wegen dienstlicher E-Mails?: Es geht um Hillary Clintons Vertrauenswürdigkeit

Prüfer des US-Außenministeriums fordern Ermittlungen gegen Hillary Clinton - wegen der Dienst-E-Mails auf ihrem Privataccount. Das ist gefährlich für sie: Schon jetzt hat sie bei den Wählern Probleme in Sachen Ehrlichkeit. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Selbstverständlich sind die Fälle vollkommen unterschiedlich gelagert. Als 1998 der damalige US-Präsident Bill Clinton mit Justiz und Öffentlichkeit zu kämpfen hatte, ging es um befleckte Kleider, eine Praktikantin, Lügen, Tonbandmitschnitte und um die mit Anwälten im Weißen Haus intensiv diskutierte Frage, ob Oralsex mit wirklichem Sex gleichzusetzen sei. Von solchen moralischen Abgründen ist Hillary Clintons Umgang mit ihren dienstlichen E-Mails weit entfernt. Und sie ist nicht die amtierende US-Präsidentin.

Ob sie dies im Januar 2017 werden wird, könnte allerdings nicht zuletzt davon abhängen, wie sie sich nun der Justiz gegenüber verhält. Verlegt sie sich auf die typisch Clintonsche Arroganz, den „Clinton Way“? Oder ist Clinton, die erklärte Schutzpatronin der Mittelschicht, tatsächlich einmal bereit, gewisse Kriterien zu akzeptieren, die für alle gelten?

Auf nationaler Ebene ist Clinton die klare Favoritin für die Nachfolge Barack Obamas. Sie lässt ihre demokratischen Mitbewerber weit hinter sich. Neben der ehemaligen First Lady hätte nach heutigem Stand auch kein potenzieller republikanischer Präsidentschaftskandidat eine große Chance. Einer aktuellen Umfrage zufolge bekommt die Demokratin neuerdings jedoch Schwierigkeiten, sich in entscheidenden „Swing States“ gegen eine relevante Zahl republikanischer Bewerber zu behaupten. In Colorado, in Iowa, in Virginia liegt sie hinter Jeb Bush, Marco Rubio und Scott Walker zurück.

Die Zahlen an sich sind dabei zwar noch kein Omen. Aber übereinstimmend erhält Clinton von den Befragten niedrige Bewertungen, wenn es um Vertrauenswürdigkeit und Ehrlichkeit geht. Anfang März trat Hillary Clinton zum ersten mal vor die Medien, um auf die Vorwürfe zu antworten, ihre digitale Korrespondenz als Außenministerin sei auf ihrem privatem Account geführt worden. Sie tat das vor dem Logo der Vereinten Nationen, gerade noch hatte sie in New York auf der UN-Frauenkonferenz gesprochen. Statt gleich zum Thema zu kommen, machte sie einen Ausflug in die Außenpolitik, stellte sich in den Atom-Verhandlungen auf Obamas Seite. Emails? Welche Bedeutung haben diese Fragen schon im Vergleich zur weltpolitischen Bühne! Ihr Auftritt war von Arroganz durchdrungen.

Clinton muss sich überlegen, wie viel Vertrauen sie noch verspielen darf

Der Wahlkampf wird sich nicht daran entscheiden, ob Clinton die E-Mails von ihrem privaten Account aus verschickt hat. Sie weiß, dass die Wähler im November 2016 ganz andere Probleme bewegen werden. Die Amerikaner haben mit einem nahezu stagnierenden Lohnniveau zu kämpfen. Die Nation diskutiert über die Einwanderung aus Lateinamerika. Ihre Strategen mögen Clinton raten, darauf zu reagieren.

2008 indes haben die Amerikaner ihre Hoffnungen in einen Senator aus Illinois gelegt, der ihnen ein besseres Amerika versprach. Viele sind heute enttäuscht. Barack Obama hat einiges von dem wahr gemacht, was er versprochen hatte. Nun versucht er, in seinen verbleibenden 18 Monaten im Amt noch weitere, insbesondere innenpolitische Ziele zu verwirklichen, eine Polizeireform, die Schließung Guantanamos oder die flächendeckende Einführung eines Mindestlohns. Ein anderes Amerika aber hat er nicht geschaffen. Das ist die Folie, auf der Clinton sich überlegen muss, wie viel Vertrauen sie verspielen darf.

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