zum Hauptinhalt
Nur noch bedingt im Visier der Staatsanwaltschaft: Ex-Bundespräsident Wulff und seine Frau Bettina in diesem Sommer auf der Galopprennbahn Langenhagen.

© picture alliance / dpa

Ermittlungen wegen Vorteilsnahme gegen Wulff: „Komplex Flitterwochen“ abgehakt

Die Staatsanwaltschaft Hannover stellt einige Verfahren gegen Altbundespräsident Wulff ein. Gleichzeitig scheint den Ermittlern auch in anderen Untersuchungen das Führen von Nachweisen schwer zu fallen. Behält Wulff am Ende Recht mit seiner Aussage, die Ermittlungen würden zu einer "vollständigen Entlastung führen"?

Von Antje Sirleschtov

Als Christian Wulff am 17. Februar im Schloss Bellevue seinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten bekannt gab, sagte er zuversichtlich, was die anstehende rechtliche Klärung der zahlreichen Vorwürfe gegen ihn angehe, „bin ich davon überzeugt, dass sie zu einer vollständigen Entlastung führen wird“.

Nun sieht es so aus, als könnte er damit recht behalten. Denn in einem gewichtigen Bereich der Vorwürfe ermittelt die Staatsanwaltschaft nun nicht mehr weiter. Und in den noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen geht es um Vorwürfe, deren Nachweis den Ermittlern schwer fallen dürfte.

Die Staatsanwaltschaft Hannover teilte am Dienstag mit, dass sie die Flitterwochen des seinerzeitigen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff und seiner Frau Bettina im italienischen Haus eines Versicherungsmanagers nicht als Vorteilsnahme im Amt werte. Wulff hat danach in dieser Sache keine rechtlichen Konsequenzen mehr zu befürchten.

Beim so genannten „Komplex Flitterwochen“ ging es um Ermittlungen der Staatsanwälte gegen Wulff, der im März 2008 im Haus des früheren Chefs der Talanx-Versicherung, Wolf-Dieter Baumgartl, in der Toskana seine Flitterwochen verbracht hatte. Ihm wurde in diesem Zusammenhang vorgeworfen, sich im niedersächsischen Landtag massiv für die Interessen der Versicherungswirtschaft eingesetzt und mit zu engen Kontakten zu Baumgartl private und berufliche Interessen vermischt zu haben. Die Staatsanwaltschaft erklärte jetzt, ein dienstlicher Zusammenhang mit der Bundesratssitzung im September 2007, in der über Änderungen des Versicherungsrechts abgestimmt wurde, sei unwahrscheinlich. Die Eheleute Wulff hätten ihre Flugkosten selbst getragen und einen langjährigen Freund besucht. Das Abstimmungsverhalten im Bundesrat entspreche „standortpolitischen Entscheidungen und Vorstellungen des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff in anderen Fällen“. Und weil das so sei, werde die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen auf diesen Bereich nicht ausweiten.

Bereits im Juni hatte die Berliner Staatsanwaltschaft die in der Bundeshauptstadt anhängigen Verfahren gegen Wulff eingestellt. Damals hatte die Berliner Anklagebehörde mitgeteilt, dass es keinen Anfangsverdacht für eine strafbare Handlung gebe. Dabei ging es um ein geschenktes „Bobby-Car“, Leasing-Konditionen für einen Audi Q3 und Kleider-Sponsoring für Wulffs Ehefrau Bettina während der Zeit, als Wulff Bundespräsident war. Zwar sah die Berliner Behörde, es seien Vorteile gewährt worden, das Geschehen sei teilweise auch intransparent gewesen. Die Firmen hätten aber vorrangig das Ziel verfolgt, die Wulff-Familie als Werbeträger zu nutzen. Es sei nicht darum gegangen, sich politische Einflussnahme zu erkaufen. Daher habe es keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Unrechtsvereinbarung gegeben.

Weiter anhängig ist nun noch das Ermittlungsverfahren gegen Wulff und seinen Unternehmerfreund David Groenewold. Von ihm hatte sich Wulff als niedersächsischer Ministerpräsident einen Kurzurlaub auf Sylt bezahlen lassen. Eine Firma Groenewolds hatte zuvor eine Landesbürgschaft Niedersachsens erhalten. Der ehemalige Bundespräsident beteuert, das Geld für die Hotelrechnung später in bar zurückgegeben zu haben. Zudem prüft die Staatsanwaltschaft, ob Wulff bekannt war, dass Groenewold auch die Kosten für einen Hotelaufenthalt in München übernommen hatte.

Da es sich bei diesen Vorwürfen vorrangig um Vorgänge handelt, in denen Bargeld geflossen sein soll, gesteht die Staatsanwaltschaft bereits seit längerem ein, dass der Nachweis darüber naturgemäß schwer fallen wird. Schon jetzt umfassen die Ermittlungsakten rund 20 000 Seiten. Im Augenblick erstellt das Landeskriminalamt Niedersachsen in der Angelegenheit „Groenewold“ einen so genannten Zwischenbericht. Dieser Untersuchungsbericht wird in den kommenden Tagen erwartet. Wenn er vorliegt, wird den Verteidigern des ehemaligen Staatsoberhauptes Akteneinsicht gewährt und ihnen die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt, bevor die Staatsanwaltschaft ihre Entscheidung darüber trifft, ob sie gegen Wulff und Groenewold Anklage erheben will. Wegen des Umfanges des Untersuchungsmaterials rechnet die Staatsanwaltschaft allerdings mit einer Frist von sechs bis acht Wochen. Erst dann, also womöglich nicht mehr in diesem Jahr, will sie über den Fall entscheiden.

Politisch würden die Ermittlungssvorgänge in Hannover damit auf jeden Fall in eine für die CDU heikle Zeit hineinlaufen. Denn Ende Januar wird in Niedersachsen ein neues Landesparlament gewählt und Wulffs Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten, David McAllister (CDU), hat schon seit geraumer Zeit Mühe, sich von den Verdächtigungen der Opposition frei zu machen, er setze als Nachfolger Wulffs dessen Politikstil in Hannover fort. Die Krux für den Wahlkämpfer der CDU: Kämen die Staatsanwälte kurz vor der Wahl zu dem Entschluss, gegen Wulff Anklage zu erheben, würde das McAllister belasten; es würde ihm aber wohl nicht helfen, wenn die Ermittlungen eingestellt würden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false