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Ernährungskrise Westafrika: 150 000 Kinder vom Hungertod bedroht

In Nordwestafrika haben Dürre und Heuschrecken die Ernten zerstört – die Hilfe kommt erst jetzt

Es ist der Schlusspunkt einer angekündigten Katastrophe. Schon im vergangenen November haben die Vereinten Nationen die Weltgemeinschaft dringend um Hilfe für die nordwestafrikanischen Staaten gebeten, die von einer verheerenden Heuschreckenplage heimgesucht wurden. Doch die Welt reagierte nicht. Erst jetzt angesichts der Bilder von verhungernden Kindern in Niger steigt die Hilfsbereitschaft.

Die Bundesregierung hat ihre Nothilfe für Niger auf 1,5 Millionen Euro verdreifacht. Im Mai, als die ersten Notrufe in Berlin eingingen, habe Deutschland bereits 500 000 Euro an das Welternährungsprogramm (WFP) überwiesen, sagte Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Großbritannien hat drei, Frankreich fünf Millionen Euro versprochen, um etwa 150 000 akut vom Hungertod bedrohte Kinder in Niger zu retten. Frankreich hat eine Luftbrücke ins Nachbarland Tschad angekündigt, um schnell zu helfen. Auch das WFP hat seine Lebensmittelhilfe am Freitag verdreifacht. Derzeit versorge das WFP rund 1,2 Millionen Menschen in Niger. „Wir müssen die schrecklichen Szenen, in denen Kinder langsam vor den Augen ihrer Eltern sterben, stoppen“, sagte der für Niger zuständige WFP- Mitarbeiter Gian Carlo Cirri. Insgesamt sind 800 000 Kinder stark unterernährt, 3,5 Millionen von zwölf Millionen Einwohnern in Niger hungern. 20 Prozent der Bevölkerung in Mali sind vom Hunger bedroht. Rund 750 000 Menschen in Mauretanien sind von der Heuschreckenplage betroffen. Die Regierung in Burkina Faso schätzt, dass eine halbe Million Menschen Nahrungsmittelhilfe benötigen.

Die Heuschrecken sind nicht das einzige Problem der Region. Schon immer hat es in der Sahelzone verheerende Dürren gegeben. Doch seit einigen Jahren kehren sie in immer kürzeren Abständen wieder. In einigen Regionen hat es jahrelang nicht geregnet. Inzwischen sind die Menschen so schwach, dass sie kaum noch in der Lage sind, ihre Felder für die Ernte im Oktober zu bestellen, berichtet das Deutsche Rote Kreuz. Außerdem fehlt es ihnen an Saatgut, klagt die Welternährungsorganisation (FAO).

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtet, dass sie seit Januar 9000 schwer unterernährte Kinder in ihren Ernährungszentren in Niger behandelt hat. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 10 000, und schon 2004 war die Zahl der eingelieferten Kinder um mehr als 40 Prozent gestiegen. Schon im April, als es noch einige Nahrungsmittelvorräte gab, konnten die meisten Familien nur einmal am Tag essen – Hirse und Wasser. Inzwischen versuchen viele Eltern, ihre Kinder mit wilden Pflanzen am Leben zu erhalten, die sonst ans Vieh verfüttert werden und die bei den geschwächten Kindern lebensbedrohliche Durchfälle auslösen. „Die Situation ist verzweifelt“, sagt Natasha Kofoworola Quist von Oxfam. Die Sprecherin der Welthungerhilfe, Marion Aberle, sagte: „Etwa 400 Menschen sterben jeden Tag an den Folgen der Unterernährung, die meisten sind Kinder.“ Hanna Schmuck, die für das Internationale Rote Kreuz in Westafrika ist, sagte dem Tagesspiegel: „Wir sind spät, aber noch nicht zu spät.“ Seit August 2004 habe sie sich um Spenden bemüht. „Allerdings erfolglos“, sagte sie. Im Spätjahr, als die Heuschrecken dann tatsächlich über die Felder herfielen, „kam der Tsunami“. Viel Geld sei daraufhin nach Asien umgeleitet worden. „Das hier ist eine langsame Katastrophe.“

Der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe, Jan Egeland, sagte in Genf, es seien bereits tausende Kinder in Niger an Hunger und Entkräftung gestorben. Er kritisierte die langsame Reaktion der internationalen Gemeinschaft. „Erst mussten die Bilder von sterbenden Kindern um die Welt gehen“, sagte er bitter. Die Staatssekretärin im Entwicklungsministerium, Uschi Eid (Grüne), forderte einen Soforthilfe-Fonds bei den UN, damit das Geld im Katastrophenfall nicht erst besorgt werden müsse, sondern gleich geholfen werden könne. (mit dpa und epd)

Spendenkonten: Misereor: Konto 52100, Sparkasse Aachen, BLZ 39050000, Stichwort: Niger; Caritas: Konto 202, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 66020500; Unicef: Konto 300 000, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 37020500, Stichwort: Niger; Deutsches Rotes Kreuz: Konto 41 41 41, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 37020500, Stichwort: Westafrika; Deutsche Welthungerhilfe: Konto 1115, Sparkasse Bonn, BLZ 38050000, Stichwort: Hungersnot Sahel.

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