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Formsache. 20 Prozent des Stroms hierzulande werden regenerativ erzeugt. Verbraucher bezahlen diese Förderung über ihre Stromrechnung.

© dpa

Erneuerbare Energien: Der Platz an der Sonne – und was er kostet

Solaranlagen sind Preistreiber, sagen die einen. Sie schaffen Jobs und helfen dem Klima, sagen andere – ein Überblick über die Fakten.

Die Bundesregierung hat den Atomausstieg vergangenen Sommer beschlossen und die Energiewende zumindest auf dem Papier eingeleitet. Politiker, Unternehmer und Forscher streiten indes weiter über die beste Form der Energieerzeugung. Jetzt verengt sich die Debatte auf die Förderpolitik für die Fotovoltaik, die Erzeugung von Strom mit Sonnenkraft. Wie bei der Atomkraft geht es wieder sehr emotional zu. Fakten bleiben dabei oft auf der Strecke.

Tatsache ist, dass die Fotovoltaik in den vergangenen Jahren einen stetig wachsenden Beitrag zur Stromerzeugung geleistet hat. War diese Technologie zur Jahrtausendwende noch praktisch ohne Bedeutung, wurden im vergangenen Jahr im Schnitt immerhin drei bis vier Prozent der benötigten Strommenge hierzulande mit Fotovoltaikanlagen auf Dächern und Freiflächen produziert. An einigen wenigen Sommertagen haben Solaranlagen in den Mittagsstunden sogar genug Strom produziert, um rechnerisch das ganze Land zu versorgen.

Auch die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Technologie ist gestiegenen – vor allem im Osten Deutschlands, wo die Dichte an Unternehmen, die Solaranlagen oder Komponenten dafür entwickeln und bauen, besonders hoch ist. Nach der aktuellen Beschäftigungsstudie für das Umweltministerium arbeiten 107 800 Menschen in diesen Firmen, darunter viele Hochqualifizierte. Weitere Jobs sichert Solarenergie in kleinen Handwerksbetrieben, die die Anlagen installieren. Durch den Einsatz von Solarstrom sind nach Auskunft des Branchenverbands BSW letztes Jahr knapp 13 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) vermieden worden.

Der Aufstieg der Solarindustrie hat Geld gekostet und kostet weiter Geld: Nach Berechnungen des wirtschaftsnahen Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) verursachen allein die bis Ende 2011 installierten Solaranlagen direkte Förderkosten von 80 Milliarden Euro – bis 2031, dann endet die Förderung. Holger Krawinkel, Energiefachmann der Verbraucherzentralen, spricht gar von 100 Milliarden. Das hieße: Jeder Bürger hierzulande fördert Solarstrom über die Jahre mit mehr als 1000 Euro. Und da sind Zuschüsse, Steuerbefreiungen und Bürgschaften noch nicht eingerechnet, die Steuerzahler über Bund und Länder Solarunternehmen gewähren, die sich bei ihnen ansiedeln.

Die Zahlen beruhen auf einem Umverteilungsmechanismus: Verbraucher fördern den Solarstrom über ihre Stromrechnung. Von jeder verbrauchten Kilowattstunde, die derzeit etwa 25 Cent kostet, werden in diesem Jahr exakt 3,59 Cent für die sogenannte Erneuerbare-Energien-Umlage abgezweigt. Für einen größeren Haushalt mit 3500 Kilowattstunden Verbrauch im Jahr sind das rund 125 Euro Kosten für die Grünstromförderung. Das so eingesammelte Geld wird als Einspeisevergütung an alle Erzeuger von erneuerbarem Strom ausgeschüttet – zu vorab festgelegten Sätzen, die für 20 Jahre nach dem Datum des Netzanschlusses garantiert werden. Aus diesem Topf gehen in diesem Jahr 56 Prozent (1,86 Cent je Kilowattstunde) an Solarstromerzeuger. Besitzer kleinerer Anlagen auf Hausdächern erhalten die höchsten Sätze, derzeit 24,43 Cent je Kilowattstunde, wenn sie ins öffentliche Netz einspeisen. Zum Vergleich: Wer Strom aus einem Windrad an Land einspeist, erhält nur neun Cent.

Dieses Umlageverfahren hat Hausbesitzer und Eigenheimbesitzer motiviert, sich Solaranlagen zu kaufen. Das wiederum half den Herstellern und Händlern – allerdings nicht nur hierzulande. Im vergangenen Jahr war nur jede fünfte Anlage „Made in Germany“. Die meisten Solarmodule stammen mittlerweile aus Asien. Chinesische Hersteller wie Suntech und Yingli haben deutsche Unternehmen wie Q-Cells und Solarworld mittlerweile beim Umsatz weit hinter sich gelassen. Unternehmer der ersten Stunde, wie die Berliner Solon, mussten wegen dieser Konkurrenz aus Fernost bereits Insolvenz anmelden.

Allerdings ist die Umlage nicht der einzige Preiseffekt der erneuerbaren Energien. An der Strombörse in Leipzig senken Wind- und Solarstrom die Kosten für den Strom durch den sogenannten Merit-Order-Effekt. Der Preis an der Börse entsteht, indem das Grenzkraftwerk, also die Anlage, die gerade noch gebraucht wird, um den Bedarf zu decken, also die teuerste Anlage, zum Preismaßstab wird. Je mehr Wind- oder Solarstrom eingespeist wird, desto weniger teurer Kohle- oder Gasstrom wird gebraucht. Deshalb wirken die erneuerbaren Energien preissenkend. Nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für das Umweltministerium haben erneuerbare Energien den Börsenpreis für Strom 2011 um 2,5 Milliarden Euro verbilligt, davon gingen 800 Millionen Euro auf das Konto des Solarstroms. Strom war an der Börse somit um 0,5 Cent pro Kilowattstunde günstiger zu haben als ohne die Erneuerbaren. Allerdings wirkt sich diese Strompreissenkung auf die Umlage negativ aus, weil aus dieser die Differenz zwischen dem Börsenpreis und dem garantierten Preis finanziert wird: Je niedrig der Preis, desto höher die Umlage.

Zudem werden aus der Umlage auch alle Aufwendungen bestritten, die zur Integration der erneuerbaren Energien ins Stromnetz oder den Handel aufgebracht werden müssen. Seit dem 1. Januar werden zudem mehr große Stromverbraucher von der Zahlung der Umlage befreit. Und die neue Marktprämie, die gezahlt wird, wenn Erzeuger ihren Strom außerhalb des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) verkaufen, wird die Kosten für die Umlage ebenfalls erhöhen. Ohne diese Sondereffekte wäre die EEG-Umlage nach Berechnungen des Saarbrücker Izes-Instituts nicht um 0,062 Cent gestiegen, sondern um 0,09 Cent auf 3,440 Cent gesunken.

Anders als Atom- oder Kohlekraftwerke produzieren Solaranlagen naturgemäß sehr unstetig Strom. Ist es bewölkt, sinkt die Produktion deutlich, obwohl selbst an einem Tag wie dem 18. Januar mittags einen Leistung von acht Gigawatt erreicht wurde. Nachts geht natürlich gar nichts – es sei denn, Solarstromerzeuger verfügen über eine Speicherbatterie. Diese Schwankungen stellen die Stromnetzbetreiber vor Herausforderungen, weil sie die Spannung stabil halten müssen. Um mehr Solarstrom zu integrieren, muss das Netz aus- und umgebaut werden. Auch hierfür zahlen Stromverbraucher mit ihrer Rechnung: das sogenannte Netzentgelt. Das dürfte in Zukunft auch deutlich steigen, allerdings nicht allein wegen der Fotovoltaik. Das größte Problem haben Netzbetreiber derzeit mit der Windkraft, die noch unberechenbarer ist und mehr Strom hierzulande produziert.

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