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Erneuerbare Energien: Was die längeren Akw-Laufzeiten bedeuten

Der Anteil erneuerbarer Energien am Strom-Mix steigt. Ersetzen können Windkraft, Sonne und Co. den Atomstrom derzeit noch nicht.

Würden die 17 noch laufenden deutschen Atomkraftwerke sofort abgeschaltet, könnten die erneuerbaren Energien die Leistung der Meiler vermutlich noch nicht ersetzen. Doch bliebe es beim geplanten Ende der Atomenergienutzung nach durchschnittlich 32 Betriebsjahren der Anlagen – dann ginge der letzte Reaktor vermutlich um das Jahr 2027 vom Netz – wäre das nach allen Prognosen kein größeres Problem. Die Bundesregierung selbst hat erst vor wenigen Wochen einen „Nationalen Aktionsplan erneuerbare Energien“ an die Europäische Kommission in Brüssel geschickt, in dem sie bis 2020 einen Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch von 38,6 Prozent erwartet. Zurzeit sind es etwa 16 Prozent. Bis 2027 wären dann auch die noch fehlenden Erzeugungskapazitäten aufgebaut, um nicht nur die Atomkraftwerke sondern sukzessive auch die Kohlekraftwerke durch Windstrom, Strom aus Fotovoltaik- oder Biogasanlagen sowie Strom aus Müll zu ersetzen. Der Bundesverband Erneuerbare Energien rechnet bis 2020 sogar mit einem Anteil von 47 Prozent.

Dass eine Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke den Ausbau der erneuerbaren Energien bremsen dürfte, wird seit Oktober 2008 in der Fachwelt intensiv diskutiert. Damals kam es an der Strombörse in Leipzig zum ersten Mal zu negativen Preisen, weil starker Wind wehte, die Nachfrage gering war und ein Großteil der Atomkraftwerke ihre volle Leistung ins Netz einspeisten. Immer öfter klemmen Netzbetreiber ganze Windparks ab, um das Netz stabil zu halten. Denn Braunkohlekraftwerke und erst recht Atomkraftwerke lassen sich nicht flexibel fahren. Diese Grundlastkraftwerke produzieren Tag und Nacht konstant die gleichen Mengen Strom. Sie sind in Maßen regelbar, allerdings nicht in dem Tempo, in dem sich Wetterlagen verändern können. Um das Netz stabil zu halten, wenn immer mehr nicht regelmäßig produzierter Strom aus Windkraftanlagen oder Fotovoltaikmodulen eingespeist wird, braucht es Regel- und Reservekraftwerke, die sehr schnell und flexibel an- und wieder abgefahren werden können. Das sind in Deutschland Steinkohle- und vor allem Gaskraftwerke. Schon aus Sicherheitsgründen lassen sich Atomkraftwerke nicht beliebig in ihrer Leistung drosseln und auch nicht schnell wieder auf volle Leistung bringen. Das wird zwar neuerdings von den Betreibern der Meiler behauptet, lässt sich allerdings mit den realen Lastprofilen der vergangenen Jahre nicht in Einklang bringen. Mit gedrosselter Leistung sind nur jene Anlagen gefahren worden, die irgendwie über die Zeit gerettet werden sollten, wie etwa das Akw Neckarwestheim 1, das längst hätte stillgelegt werden müssen. Nach Einschätzung der Bundesregierung dürfte das Kraftwerk, wenn es weiter auf Minimallast gefahren wird, seine Reststrommenge im Februar 2011 endgültig aufgebraucht haben. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der grünen Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl hervor.

Sollte es zu einer Laufzeitverlängerung kommen, müsste der Ausbau der Stromnetze noch etwas schneller erfolgen, wenn die erneuerbaren Energien dadurch nicht ausgebremst werden sollen. Nach einer Studie der Energie-Agentur Dena hätten bis 2015 mindestens 850 Kilometer neuer Leitungen gebaut werden müssen, tatsächlich sind es bisher nur etwa 80 Kilometer und angesichts der komplizierten Genehmigungsverfahren und großem örtlichem Widerstand ist mit einem schnelleren Ausbau kaum zu rechnen. Das Akzeptanzproblem dürfte sich nach einer Laufzeitverlängerung sogar noch verschärfen, weil die Netze dann ja in erster Linie dazu gebraucht würden, den Grundlaststrom aus den Atomkraftwerken im Netz zu halten. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat zwar bei der Vorstellung des Energiegutachtens, das die Basis der Regierungsentscheidung sein soll, behauptet, die Laufzeitverlängerung sei notwendig, um den Netzausbau für die erneuerbaren Energien zu schaffen. Allerdings nannte er kein weiteres Argument, warum das eine mit dem anderen zusammenhängen könnte.

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