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Die Demokratiebewegung protestierte am Mittwoch in Hongkong erneut für ein umfassendes allgemeines Wahlrecht.

© AFP

Erneute Proteste in Hongkong: China verweigert freie Kandidatenwahl

Erstmals dürfen 2017 alle Hongkonger Bürger das Stadtoberhaupt wählen, doch China kann weiterhin vorher die Kandidaten festlegen. Die Demokratiebewegung will dagegen erneut protestieren.

In Hongkong spitzt sich der Konflikt um das Wahlrecht erneut zu. Die Stadtregierung veröffentlichte am Mittwoch Richtlinien, die keine freie Kandidatenaufstellung für die Wahl des nächsten Stadtoberhaupts 2017 vorsehen. Zwar soll erstmals jeder Bürger das Stimmrecht nach dem Prinzip „One man, one vote“ haben. Dies war in der früheren britischen Kronkolonie, die 1997 an China zurückgegeben wurde, bisher nicht der Fall. Peking behält sich aber das Machtmonopol in der Sonderverwaltungszone vor, indem es eine indirekte Kontrolle über den Nominierungsprozess beansprucht. Zur Auswahl stehen am Ende nur zwei bis drei Kandidaten, die von einem China-treuen Gremium bestimmt werden.
Dagegen will die Demokratiebewegung abermals protestieren. Sie hatte im September und Oktober mit tagelangen Demonstrationen und der Besetzung von Plätzen auf den Konflikt aufmerksam gemacht. Erstens wollen ihre Vertreter im Parlament, die über eine Sperrminorität verfügen, ein Veto einlegen, wenn das von Peking gewünschte Wahlrecht im Sommer als Gesetzesentwurf eingebracht wird. Allerdings ist unklar, ob die Opposition im Parlament geschlossen bleibt. Die China-treue Fraktion erhebt den Vorwurf, wer Pekings Vorschlag ablehne, verhindere damit zugleich, dass das allgemeine Wahlrecht 2017 eingeführt werde. Zweitens versucht die Demokratiebewegung eine Volksabstimmung über das Wahlrecht zu erzwingen. Drittens drohen Studenten erneut mit der Besetzung öffentlicher Gebäude und Plätze.

Bei der Rückgabe Hongkongs hatten China und Großbritannien die Formel „Ein Land, zwei Systeme“ vereinbart: Die Stadt werde ihre Sonderrechte und Freiheiten behalten, die Demokratie werde ausgebaut. Der 70-jährige Martin Lee, eine Ikone der Demokratiebewegung, beruft sich auf Artikel 26 des „Basic Law“, in dem die vereinbarten Prinzipien als Grundgesetz ausbuchstabiert wurden: Jeder Bürger hat das Recht zu wählen und zu kandidieren. Mit der Aussiebungsprozedur, die Carrie Lam, die Nummer zwei in Hongkongs Hierarchie, am Mittwoch im Stadtparlament vorstellte, versucht China nun, die Buchstaben des Grundgesetzes zu erfüllen, nicht aber seinen Sinn. Die Hürden für eine Bewerbung um die Kandidatur als Stadtoberhaupt sind gering. Wer auf den Stimmzettel kommt, bestimmt dann aber das 1200-köpfige Nominierungskomitee, in dem hauptsächlich Loyalisten sitzen. In der ersten Runde brauchen Bewerber 120 Stimmen, um auf die „Shortlist“ von fünf bis zehn Kandidaten zu kommen. In einer zweiten Runde wird die Auswahl auf zwei bis drei reduziert. Wie im Herbst 2014 wird die Auseinandersetzung wohl wieder zu einem Ringen um die öffentliche Meinung der fünf Millionen Hongkong-Bürger. Aus Sicht der Demokratiebewegung wird die Wahl 2017 zur „Farce“; wenn man sich jetzt mit einem schlechten Wahlrecht zufrieden gebe, seien Nachbesserungen nie mehr zu erwarten. Peking argumentiert, Hongkong bekomme „die erste freie Wahl seiner Geschichte“, alle Zusagen seien eingehalten worden, und weitere Reformen seien später immer noch möglich.

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