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Mit allen Mitteln. Protestler setzen sich auch für die Rechte Homosexueller ein. Foto: AFP

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Politik: Erst Arbeit, dann Abschiebung

Russische Baufirmen werden schwer belastet. Menschenrechtler wollen nun zum Start des olympischen Fackellaufs protestieren.

Es soll ein großes Spektakel werden. 15 000 Männer und Frauen werden ab Montag die olympische Flamme quer durch Russland tragen. In 23 Tagen werden sie dabei 65 000 Kilometer zurücklegen, bis die Flamme am 7. Februar schließlich Sotschi, den Ort der Olympischen Spiele 2014, erreicht. Dass ausgerechnet vor dem Start des großes Fackellaufs neue Enthüllungen über die Arbeitsbedingungen bei den olympischen Baustellen auftauchen, passt den Russen gar nicht ins Konzept. Genauso wenig wie die von Amnesty International (AI) geplante weltweite Protestkampagne gegen Menschenrechtsverletzungen in Russland, die zeitgleich mit dem Fackellauf startet.

Die Machthaber, sagt der Chef der russischen Sektion von AI, Sergej Nikitin, würden Aktive und Fans mit festlichen Dekorationen davon ablenken wollen, wie demokratische Grundrechte in Russland immer weiter beschnitten werden. Doch das olympische Feuer werde sein Licht auch darauf werfen. Gemeint waren Festnahmen von Regimegegnern und jene antidemokratischen Gesetze, die das Parlament gleich nach der Rückkehr Wladimir Putins in den Kreml für ein dritte Amtszeit als Präsident verabschiedet hatte. Dazu kommen Demonstrationsverbote bei Olympia in Sotschi. Menschenrechte, warnte AI, dürften auch während der Spiele nicht außer Kraft gesetzt werden.

Doch das ist noch nicht alles: Illegale Arbeitsimmigranten aus den Ex-Sowjetrepubliken im Südkaukasus und in Zentralasien, die monatelang auf den rund 800 Olympiabaustellen geschuftet hatten, sahen sich offenbar einer Treibjagd ausgesetzt. Sie arbeiteten für einen Hungerlohn, wurden schlecht verpflegt und in Massenunterkünften ohne Wasser und Kanalisation untergebracht. Jeder Zweite war illegal eingereist und ohne Arbeitserlaubnis. Ein Bombengeschäft für die Baufirmen. Sie sparten nicht nur die Steuern, sondern auch die Beiträge für Kranken- Renten- und Unfallversicherung, die bei legal Beschäftigten fällig werden. Doch Ende August waren sie fertig mit ihrer Arbeit und mussten gehen.

Mitarbeiter der Föderalen Migrationsbehörde, unterstützt von Polizei und paramilitärischen Formationen der Kosaken, fahndeten in den Wohnlagern nach Arbeitsimmigranten „mit nichtslawischem Aussehen“. So jedenfalls berichtet die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch unter Berufung auf Menschenrechtsanwälte in Sotschi. Demzufolge wurden hunderte Arbeitsimmigranten tagelang in überfüllten Arrestzellen zusammengesperrt und dann abgeschoben – ohne Prozess und ohne juristischen Beistand. Alexander Tkatschow, Gouverneur der Region Krasnodar, zu der Sotschi gehört, hatte die Abschiebungen in einem Akt vorauseilenden Gehorsams angeordnet.

Schon zuvor hatte Human Rights Watch über die katastrophalen Arbeitsbedingungen berichtet, die vergleichbar sind mit denen für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar, wo Gastarbeiter auch wie Sklaven behandelt werden sollen. In Russland würden Wettkampfstätten und Infrastruktur der Spiele auf den Knochen von miserabel entlohnten, wie Sklaven ausgebeuteten und behandelten Gastarbeitern errichtet, warnt die Menschenrechtsorganisation. Mehr als 16 000 Ausländer, vor allem Ukrainer, Serben, Armenier, Usbeken, Kirgisen und Tadschiken arbeiteten für Hungerlöhne zwölf Stunden täglich auf den Baustellen. Oft sieben Tage die Woche und ohne Urlaub. Vielen wurde der Reisepass abgenommen, um zu verhindern, dass sie das Elend durch Flucht beenden. Vizepremier Dmitri Kosak, Russlands Chefkoordinator der Spiele, dementierte die Sklaven-Vorwürfe stets mit Vehemenz. Missbrauch gäbe es nur in Einzelfällen. Wäre dies die Regel, sagte er schon im Juli, „würde ich davon wissen“.

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