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Politik: Erst die Pillen, dann die Joints

Die Zahl der Drogentoten sinkt – aber immer mehr Jugendliche konsumieren Ecstasy und Cannabis

Berlin - Ihre Bilanz eröffnet die Drogenbeauftragte mit dem Erfreulichen. Die Zahl der Drogentoten ist im Vorjahresvergleich um weitere sechs Prozent gesunken und hat mit 1385 den niedrigsten Stand seit 1989 erreicht. Der Anteil der Drogenabhängigen an HIV-Infizierungen verringerte sich seit 1993 von 20 auf sechs Prozent. Die Raucherquote unter Jugendlichen ging von 28 Prozent (2001) auf 20 Prozent (2005) zurück. Und auch zu so genannten Alkopops greifen Minderjährige seltener – ein klarer Erfolg von Sondersteuer und „gesellschaftlicher Debatte, die wir angestoßen haben“, wie Marion Caspers-Merk meint. Tranken im August 2004 noch 28 Prozent aller 12- bis 17-Jährigen mindestens einmal im Monat die alkoholhaltigen Süßgetränke, sind es aktuell nur noch 16 Prozent.

Als „alarmierend“ empfindet die SPD- Politikerin hingegen den steigenden Cannabis-Konsum Jugendlicher – ein Trend, den es „überall in Europa“ gebe. Minderjährige kiffen häufiger, sie konsumieren größere Mengen und stärkeren Stoff. Schon unter den 12- bis 15- Jährigen hätten sieben Prozent Erfahrung mit Joints, sagt die Drogenbeauftragte. Von den 18- bis 25-Jährigen habe 2004 jeder fünfte Cannabis konsumiert.

Caspers-Merk nimmt dafür Politik wie Gesellschaft in Verantwortung. „Wir haben es versäumt, eine vernünftige Risikodebatte zu führen.“ Als Protest auf die langjährige Ignoranz gegenüber legalen Drogen sei Cannabis-Konsum verharmlost worden. Nötig sei aber nicht nur eine verstärkte Risikodebatte. Auch die Bundesländer müssten sich auf eine „gemeinschaftliche Herangehensweise“ einigen. Es könne nicht angehen, dass die Cannabismenge, die man straffrei besitzen darf, von Land zu Land unterschiedlich sei. Für die Politikerin ist übrigens der Zusammenhang mit legalen Drogen augenfällig. Unter Nichtrauchern hätten nur vier Prozent jemals Cannabis probiert, sagt sie. Und auch die Behauptung, „der Kiffer kifft und trinkt nicht“, stimme nicht mehr. Der sorglose Mischkonsum verschiedener Drogen bereite zunehmend Probleme, nicht nur bei der besonders harten Szene der Aussiedler, die trotz zielgerichteter Prävention immer noch einen außergewöhnlich hohen Anteil der Drogentoten stellt. „Eine Pille zum Gutdraufsein, ein Joint zum Wieder-Runterkommen“ – das sei unter Jugendlichen oft die Devise.

„Beunruhigend“ ist für Caspers-Merk auch der Blick auf synthetische Drogen. Die Zahl erstauffälliger Konsumenten stieg bei Ecstasy um 17, bei Amphetaminen um 40 Prozent. Sichergestellt wurden 2004 gut zwei Millionen Ecstasy- Pillen – eine Steigerung um 63 Prozent. Das Riesenplus habe zwar auch mit intensiverer Polizeiarbeit zu tun, sagt die Beauftragte. Doch das Problem sei deutlich. Und lösen könnten es nicht nur die Strafverfolger. Gefragt sei auch die „Gesellschaft, in der ,Gutdraufsein’ zum guten Ton gehört und nicht hingesehen wird, ob der Konsum von Drogen mit im Spiel ist.“

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