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Politik: Erst fragen, dann fliegen lassen

USA plant Online-Auskunft für europäische Passagiere – Brüssel sieht darin verkappte Visumpflicht

Das nach dem 11. September 2001 verschärfte Sicherheitsdenken in den USA beeinträchtigt immer mehr den Reiseverkehr über den Atlantik. Die Innen- und Justizminister der EU, die am Freitag in Luxemburg zum EU-Ministerrat zusammenkamen, machen sich wegen der Pläne Washingtons Sorgen, elektronische Einreisegenehmigungen einzuführen. „Die Gefahr ist groß, dass die US- Regierung auf diese Weise durch die Hintertür wieder eine Art Visumpflicht für Europäer einführt,“ hieß es in diplomatischen Kreisen in Brüssel.

Bisher sind die Bürger von 15 EU-Staaten, darunter Deutschland, bei der Einreise in die USA von der Visumpflicht befreit. Wenn sie jedoch, wie von den US-Einreisebehörden geplant, künftig vor Antritt ihrer Reise über den Atlantik Online-Fragebögen ausfüllen müssen, die ausführliche Angaben zur Person, zu Kontaktpersonen in den USA, Lebensgewohnheiten, politischen Aktivitäten zum Zweck der Einreise abfragen, dann käme diese Prozedur einem Visumantrag gleich.

Die US-Behörden haben die Fragen, die als Grundlage für die Einreisegenehmigung dienen sollen, bisher noch nicht offengelegt. „Sollte sich herausstellen, dass die elektronische Einreisegenehmigung der USA die bisher geltende Visumfreiheit in der Praxis zunichtemacht, dann müssen wir Europäer über eine angemessene Antwort nachdenken“, sagte ein hoher Diplomat in Brüssel. Die EU müsse dann für gleiche Verhältnisse sorgen und auch bei der Einreise von Amerikanern nach Europa elektronische Einreisegenehmigungen einführen.

Bisher können US-Bürger ohne Visum und Datenabfrage problemlos in alle 27 EU-Staaten einreisen. Dagegen müssen die Bürger von zwölf EU-Ländern – dabei handelt es sich vor allem um die neuen Mitgliedstaaten – weiter Visumanträge stellen, wenn sie in die USA einreisen wollen.

Mit ihrer Ungleichbehandlung haben die Amerikaner zudem nach dem Motto „Teile und herrsche“ in der EU Zwietracht gesät: Obgleich die Visumpolitik Sache der gesamten EU ist, hat Washington mit sieben osteuropäischen EU- Mitgliedsländern Vereinbarungen unterzeichnet, die diesen Ländern den Weg zur Visumfreiheit ebnen sollen. Die Alleingänge der Osteuropäer haben nicht nur die Brüsseler EU-Kommission verärgert, die sich seit langem für die Visumfreiheit aller EU-Bürger einsetzt. Viele Regierungen kritisieren auch die großen Zugeständnisse, die die Osteuropäer den USA gemacht haben. So akzeptierten Tschechien, Estland und Lettland zum Beispiel, dass sogenannte US-Air-Marshals – bewaffnete US-Sicherheitsbeamte in Zivil – bei den Transatlantikflügen mitfliegen. Außerdem sind sie bereit, den US-Sicherheitsbehörden umfangreiches Datenmaterial über die Passagiere zur Verfügung zu stellen. Beide Zugeständnisse gehen weit über das Abkommen hinaus, das die EU im vergangenen Juni mit den USA abgeschlossen hat.

Die EU-Innenminister haben nun am Freitag der EU-Kommission ein gemeinsames Mandat für Verhandlungen mit den USA erteilt. Brüssel will nicht nur unterschiedslos die Visumfreiheit aller EU-Bürger durchsetzen, sondern auch für alle 27 EU-Staaten gleiche Verträge, die eine klare Begrenzung der Sammlung und des Austauschs von Passagierdaten enthalten.

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