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Politik: Erst Freilassung, dann Dialog

Lukaschenko bittet die Opposition und die EU zum Gespräch – doch die stellen eine Bedingung

Vor einer handverlesenen Lehrerschar verkündete Weißrusslands Staatschef Aleksander Lukaschenko seine neue Initiative zur Rettung des krisengeschüttelten Landes. „Wer vernünftig ist und sein Land liebt, soll sich mit mir an einen Runden Tisch setzen“, sagte der Autokrat am Montag. „Wir wollen einander in die Augen schauen und entscheiden, wer die Wirtschaftssituation verbessern kann“, rief er der Opposition zu. Auch die Europäische Union und Russland wolle er zu den Gesprächen einladen. Die Antwort von einem der bekanntesten Gefangenen des Landes kam prompt: „Ich akzeptiere einzig Verhandlungen über die Machtübertragung“, kommentierte der zu fünf Jahren Straflager verurteilte Ex-Präsidentschaftskandidat Andrej Sannikow aus seiner Zelle. Wie er sitzen immer noch über 20 politische Gefangene in Haft. „Wer derzeit einen Dialog mit der weißrussischen Opposition führen will, muss das im Zuchthaus tun“, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck.

Weißrusslands demokratische Opposition hat sich darauf verständigt, einen Dialog erst nach der Freilassung sämtlicher politischer Gefangenen aufzunehmen. „Wir verhandeln nur unter dem Patronat einer internationalen Organisation“, sagte zudem der Parteichef der liberalen Vereinigten Bürgerpartei, Anatoli Lebedko. Dieser hatte selbst wochenlang in Lukaschenkos berüchtigten KGB-Untersuchungszellen gesessen. Mitte August wurde sein Verfahren überraschend eingestellt. Lukaschenko wolle damit dem Westen Kompromissbereitschaft signalisieren, wurde nicht nur in Minsk vermutet. Kurz zuvor waren mehrere weniger bekannte Polithäftlinge begnadigt worden.

Weißrussland wurde besonders hart von der Wirtschafts- und Finanzkrise getroffen. Minsk wartet noch immer auf einen Kredit des Internationalen Währungsfonds, der wegen mangelnder Reformen nicht ausgezahlt wird. Im Mai musste der weißrussische Rubel auf einen Schlag um über 50 Prozent gegenüber dem Dollar abgewertet werden. Dazu kommen Russlands schmerzliche Energiepreiserhöhungen. Weißrussland steht vor dem wirtschaftlichen Ruin – darin sehen Beobachter den Grund für Lukaschenkos Gesprächsangebot. „Ich fühle mich wie eine Ware, die Lukaschenko dem Westen für neue Kredite verkaufen will“, sagte die oppositionelle Journalistin Natalia Radzina, die in Litauen um politisches Asyl ersucht hat und inzwischen begnadigt wurde.

Die EU knüpft einen Dialog an klare Bedingungen: „Jeder ernsthafte politische Dialog zwischen der Regierung und der Opposition in Weißrussland würde die Freilassung und Rehabilitation von allen politischen Gefangenen erforderlich machen“, sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Die Diplomaten erfuhren von dem Angebot erst durch Lukaschenkos Rede. Auch aus deutscher Sicht geht die Offerte aus Minsk nicht weit genug: „Entscheidend sind nicht Worte, sondern konkrete, messbare Taten“, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin. Die weißrussische Regierung müsse alle Gefangenen freilassen, rehabilitieren „und die Repressionen gegen die Opposition, unabhängige Medien und die Zivilgesellschaft beenden“. Die Freilassung der politischen Gefangenen sei letztlich „ein Lackmustest für die Ernsthaftigkeit“ von Lukaschenkos Offerte, betonte Marieluise Beck.

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