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Politik: "Erst kommt die Marktöffnung, dann die Demokratisierung" - Russland-Experte Alexander Rahr über Wandel durch Annäherung

Alexander Rahr (40) ist Russland- und Osteuropa-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.Wie hat es Putin geschafft, dass sich die Europäer kaum mehr für den Tschetschenien-Krieg interessieren?

Alexander Rahr (40) ist Russland- und Osteuropa-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.

Wie hat es Putin geschafft, dass sich die Europäer kaum mehr für den Tschetschenien-Krieg interessieren?

Er hat die EU davon überzeugt, dass er jede Kritik abprallen lässt. Er hört sie sich an, aber ändert nicht seine Politik. Andererseits hat man in der EU gesehen, dass die Probleme, die Moskau im Kaukasus hat, schwerwiegend sind. Die EU hat es nicht geschafft, Lösungsvorschläge anzubieten. Es mag zynisch klingen, aber der Westen hat gesehen, dass es eine dringlichere Agenda mit Putin gibt, die von Tschetschenien nicht so sehr belastet werden sollte.

Aber der Preis für gute Beziehungen zu Russland ist das Schweigen über den Krieg, oder?

Der Westen hat ja nicht geschwiegen, aber Russland hat die Kritik abprallen lassen. Moskau war davon überzeugt, Recht zu haben, zumal die Eliten und die Massen hinter Putin standen. Da konnte der Westen nichts ausrichten. Putin hat übrigens schon im Oktober 1999 ein sehr konstruktives Strategiepapier zur Zusammenarbeit mit der EU vorgelegt. Schröder und andere Staatschefs haben bislang wegen Tschetschenien nicht darauf reagiert. Das könnte sich jetzt ändern. Das Papier hatte auch eine sicherheitspolitische Komponente, Putin schlägt eine Kooperation mit der WEU vor. Vielleicht kommt es darüber jetzt zu einer Einigung.

Wird die EU-Osterweiterung Russland eher schaden oder nutzen?

Wenn Russland sich einer Zusammenarbeit mit der EU öffnet, dann wird Moskau davon profitieren können. Aber Zusammenarbeit heißt eben nicht mehr Kooperation mit Worten, sondern Moskau muss dafür sein Rechtssystem ändern, damit der Westen investieren kann. Das versucht Putin, er will weg von den Billigkrediten von IWF und Weltbank hin zu Direktinvestitionen. Er will mit der Wirtschaft in Europa zusammenarbeiten. Doch die sagt, schaffe dafür erst einmal die Voraussetzungen. Putin wird die Gesetze ändern, für mehr Klarheit sorgen, und die Duma steht geschlossen hinter ihm.

Die Wirtschaft hat Priorität?

Unbedingt. Putin will in der Tat den russischen Markt öffnen. Das heißt aber auch, dass er den Demokratiesierungsprozess hinten anstellen will. Dafür wiederum braucht er das Wohlwollen des Westens. Er will liberale Reformen durchsetzen, aber gleichzeitig den Staat wieder stärken.

Nato-Generalsekretär Robertson hat einen Nato-Beitritt Russlands nicht mehr ausgeschlossen, sind das nur Phantasien?

Ich sehe da schon einen Kern. Der Westen begreift Russland nicht mehr als Feind. Es geht darum, den europäischen Kontinent langfristig abzusichern, dazu gehört nicht nur eine Kooperation mit Russland, sondern die volle Einbindung in die Sicherheitspolitik Europas. Das Interview führte Armin Lehmann

Wie hat es Putin geschafft[dass sich die Europ&au]

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