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Politik: Erzfeinde auf Annäherungskurs

Chinas Regierungschef Wen Jiabao besucht Japan – zum ersten Mal seit sieben Jahren

Zwei Erzfeinde in Asien gehen aufeinander zu: Erstmals seit sieben Jahren reist mit Wen Jiabao ein chinesischer Regierungschef nach Japan. Der Besuch könnte der Beginn einer neuen Annäherung zwischen Peking und Tokio werden. Doch das Misstrauen zwischen den Großmächten sitzt tief.

Zwei Jahre ist es her, dass chinesische Studenten und Nationalisten im Frühjahr 2005 in Peking und anderen Städten zu antijapanischen Massendemonstrationen auf die Straßen gingen. Auf die Botschaft, Konsulate, Restaurants und andere japanische Einrichtungen flogen Steine. Auslöser für den Protest waren japanische Schulbücher, in denen nach Ansicht vieler Chinesen Japans Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg verharmlost wurde. Chinesen riefen zum Boykott japanischer Produkte auf. Die Beziehungen zwischen Peking und Tokio waren auf einem neuen Tiefstand.

Seitdem hat sich das Verhältnis leicht gebessert. Ein Grund dafür war der Abtritt des japanischen Ministerpräsidenten Junichiro Koizumi, dessen Besuche im umstrittenen Yasukuni-Schrein regelmäßig für Spannungen mit Peking gesorgt hatten. In dem Schrein werden neben Tausenden japanischen Kriegstoten auch die Seelen von 14 hochrangigen Kriegsverbrechern aus dem Zweiten Weltkrieg verehrt. Für Peking und andere asiatische Länder, die in den 1930ern und 1940ern unter japanischer Besatzung gelitten hatten, waren diese Besuche eine Provokation.

Koizumis Nachfolger, der konservative Shinzo Abe, hat seit seinem Amtsantritt den Schrein nicht besucht. China empfing ihn deshalb im Herbst zum Regierungsbesuch. Allerdings geht auch Abe mit nationalistischen Reden auf Stimmenfang bei Japans Rechten. Vor kurzem erklärte er, dass es keine Beweise für die Zwangsrekrutierung von Sexsklavinnen durch die kaiserliche Armee gegeben habe. Seine Aussage löste international Proteste aus. Fragen, ob er möglicherweise in Zukunft den Yasukuni-Schrein besuchen wird, weicht Abe aus.

Der dreitägige Besuch von Wen Jiabao ist eine Gelegenheit für beide Länder, die Spannungen zu entschärfen. Ziel sei es, das „Eis zu schmelzen“, erklärte Wen, der für das sportbegeisterte Japan an einem Baseball-Spiel teilnehmen wird. Im Gespräch ist die Unterzeichnung eines strategischen Paktes und eine engere Zusammenarbeit in der Energieversorgung. Auf diesem Sektor treten Japan und China bislang als Konkurrenten auf. Dagegen verhandeln Tokio und Peking bereits seit längerem über eine gemeinsame Nutzung von Gasfeldern im Ostchinesischen Meer, können sich jedoch nicht über den Grenzverlauf und Meeresrechte einigen.

Eine Entspannung der Beziehungen wäre im Interesse beider Länder. Der Handel boomt und wirtschaftlich sind China und Japan aufeinander angewiesen. Die großen japanischen Elektronik- und Autohersteller verlagern immer größere Teile ihrer Produktion nach China. 2006 wuchs der gemeinsame Handel auf 211 Milliarden US-Dollar – ein Plus von 11,5 Prozent. Dieses Jahr dürfte China zum wichtigsten Handelspartner Tokios aufsteigen.

Harald Maass[Peking]

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