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Politik: Erzwungene Entlastung

Carla Del Ponte soll ihr Amt als Chefanklägerin für Ruanda abgeben – den USA käme das entgegen

Carla Del Ponte, die Chefanklägerin des Ruanda- und des Jugoslawientribunals, hat sich Feinde gemacht, besonders in den USA und Großbritannien. UN-Generalsekretär Kofi Annan kündigte nun an, er wolle dem Sicherheitsrat vorschlagen, das Mandat der Schweizer Chefanklägerin vor dem Ruanda-Tribunal nicht zu verlängern, sondern einen zweiten Ankläger zu ernennen.

Del Ponte ist zugleich Chefanklägerin des Den Haager Jugoslawien-Tribunals und des Ruanda-Tribunals im tansanischen Arusha, das sich mit der Aufarbeitung des Völkermords von 1995 befasst, bei dem 500 000 Tutsi von Hutu-Milizen getötet worden waren. Sie hatte sich den Unmut der ruandischen Regierung zugezogen, als sie versuchte, auch Tutsi zu verfolgen, die vor und nach dem Völkermord Verbrechen an Hutu begangen hatten. Die Regierung in Ruanda, der zahlreiche Tutsi angehören, hatte die Ermittlungen hintertrieben. Manchen Zeugen untersagte sie die Ausreise nach Tansania, andere wurden eingeschüchtert. Del Ponte beklagte sich vor dem Sicherheitsrat, der rügte Ruanda, doch weiter gehende Folgen hatte das nicht. Denn Ruanda, das eine Schlüsselrolle bei den bewaffneten Konflikten im Kongo spielt, ist es offenbar gelungen, die USA und Großbritannien hinter sich zu scharen. John Negroponte, UN-Botschafter der USA, erklärte, seine Regierung habe sich noch nicht definitiv für die Einsetzung eines neuen Anklägers entschieden, wolle über die Frage aber in den kommenden Wochen einen Konsens im Sicherheitsrat erreichen. Offizielles Ziel der USA ist es, die Arbeit des Tribunals zu beschleunigen. Der unausgesprochene Vorteil hinter dieser Argumentation für die USA: Beide Tribunale könnten dann auch schneller ihre Pforten schließen.

Auch über das Jugoslawien-Tribunal gibt es einen Konflikt zwischen Del Ponte und den USA. Während Del Ponte noch etwa 20 flüchtige Angeklagte aburteilen lassen will, liegt den USA nur noch an den beiden Topverdächtigen Ratko Mladic und Radovan Karadzic, die wegen ihrer Beteiligung am Massaker in Srebrenica 1995 gesucht werden. Die USA gehen seit Monaten immer stärker auf Distanz zum Jugoslawien-Tribunal.

Del Ponte hat sich zu der Debatte um ihre Zukunft bisher nicht geäußert. Nach einem kurzen Gespräch mit Kofi Annan in New York flog sie kommentarlos ab. Ihre Sprecherin Florence Hartmann in Den Haag erklärte, es gehe jetzt darum, „den Angriff auf ihre Glaubwürdigkeit, Autorität und Unabhängigkeit“ abzuwehren.

Unter den Sicherheitsratsmitgliedern werden indes auch noch andere Varianten diskutiert. So könnte Del Pontes Mandat für das Jugoslawien-Tribunal auch nur für ein Jahr verlängert werden. Für beide Tribunale läuft ihr Mandat eigentlich am 15. September aus.

Klaus Bachmann[Brüssel]

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