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Afghanistan: Es fehlen Freiwillige

In Afghanistan bilden 250 deutsche Polizisten örtliche Sicherheitskräfte aus – doch zeitweise fehlt es an Freiwilligen für den Einsatz.

Berlin - Die Mitteilung des Bundesinnenministeriums (BMI) sollte einen Erfolg markieren. Die in London zugesagte Aufstockung der Zahl deutscher Polizeiausbilder für Afghanistan von 200 im bilateralen Polizeiprojekt sei Anfang Juli erreicht worden. Zusätzlich seien 50 Experten bei der europäischen Polizeimission Eupol. Die Ausbildung der Sicherheitskräfte am Hindukusch gilt als wichtige Voraussetzung für einen Rückzug der ausländischen Truppen. Bis Oktober 2011 sollen 134 000 Polizisten ausgebildet sein. Das deutsche Engagement sei trotz des Ausstiegs Brandenburgs vom Frühjahr nicht in Gefahr, heißt es im BMI. Brandenburgs Innenminister Speer schickt keine Polizisten mehr, weil die Bundesregierung im Februar die Lage als bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts bezeichnet hatte. Das sei Krieg, an dem Brandenburgs Polizisten sich nicht beteiligten.

Praktiker fürchten ohnehin schon die nächste Konferenz, auf der die Kanzlerin mehr deutsche Polizisten zusagen könnte. Der Einsatz von drei bis zwölf Monaten ist anders als bei der Bundeswehr freiwillig, gilt aber daheim trotz anderer Beteuerungen aus der Politik nicht unbedingt als karrierefördernd. Mancher wünscht sich etwas Fantasie beim Ausgleich der Strapazen. Nach dem Beamtenversorgungsgesetz können Einsätze in Gebieten mit „gesundheitsschädigenden klimatischen Einflüssen“ nämlich „bis zum Doppelten als ruhegehaltfähige Dienstzeit“ berücksichtigt werden – sie müssen aber mindestens ein Jahr ununterbrochen dauern. Der Beamte kann nicht früher in Pension gehen, erreicht aber leichter die versorgungsrechtlich relevanten Dienstjahre.

Die Ausbilderzahlen aus der Heimat sagen indes wenig über den Einsatz. Manchen verleiten sie zu Sarkasmus: So wie die Zahl der auszubildenden afghanischen Polizisten steige, falle die Zahl der Trainer. Wer sich freiwillig meldet, ist trotz aller Widrigkeiten – nicht zuletzt bei der Ausrüstung – mit großem Engagement dabei. Polizeihauptkommissar Michael Königsmann, Vizekontingentleiter des Teams in Masar-i-Scharif, und seine resolute Kollegin Martina Dreyer würden auch länger in Camp Marmal bleiben, obwohl es im Sommer schon mal 50 Grad heiß wird. Der 50-jährige Berliner von der Bereitschaftspolizei in Moabit hat sich bis Ende Januar verpflichtet. Martina Dreyer bleibt bis Oktober, sie koordiniert die Trainer für die offiziell 550 Ausbildungsplätze. „Dafür brauche ich 35, 36 Trainer“, rechnet die Polizeioberkommissarin aus Berlin-Schulzendorf vor. Die gab es im April, zwischendurch waren zeitweise nur 17 avisiert. In den Sommerferien sinkt die Freiwilligenquote. Nun sind wieder 30 Trainer da – dafür gibt es weniger Trainees. In Masar haben sie gemerkt, was Brandenburgs Entscheidung bedeutet: Ein für April eingeplanter Trainer kam nicht. Die Bayern, die jahrelang keinen einzigen Polizisten geschickt haben, sind inzwischen stark vertreten. „Wir wollen alle gerne hierher“, sagen die beiden Berliner Polizisten, wenn auch mancher Soldat darüber den Kopf schüttelt.

Ein Teil der Polizeiausbilder kommt von der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt, die anderen aus den Ländern. Die Freiwilligen der Länder werden anteilig nach dem Königsteiner Schlüssel entsandt, nach dem Finanzierungslasten aufgeteilt werden. Wenn Polizisten nach Afghanistan gehen, fehlen sie zu Hause. Wird künftig ein anderes Land Brandenburgs Teil erfüllen und dafür finanziell entschädigt? Als Bayern nicht mitmachte, hat die Bundespolizei die Löcher gestopft.

Im Training: Ein deutscher Polizeiausbilder zeigt afghanischen Sicherheitskräften in Masar-i-Scharif, wie man Verdächtige festnimmt.
Im Training: Ein deutscher Polizeiausbilder zeigt afghanischen Sicherheitskräften in Masar-i-Scharif, wie man Verdächtige festnimmt.

© Michael Kappeler/ddp

Wie einige Länder kritisiert der Chef der Polizeigewerkschaft GdP, Konrad Freiberg, Brandenburg. Es könne sich nicht ein Land „einen weißen Fuß machen" und die Lasten den anderen überlassen. Er fordert aber auch, dass deutsche Polizisten nicht mit Militär die Bundeswehrcamps verlassen. Sei die Hilfe nicht in sicheren Lagern möglich, „müssen wir raus aus Afghanistan“. Freiberg meinte das sogenannte FDD, das „Focused District Development", das als effektivste Ausbildung gilt. Ganze Polizeieinheiten der Distrikte werden erst in einem Zentrum von Polizisten und 45 Feldjägern trainiert. Danach betreuen Mentoren sie bis zu weitere elf Monate an ihrem Arbeitsplatz, damit die Polizisten sich Akzeptanz verschaffen und nicht in alte korrupte Strukturen fallen. Ein Polizeimentorenteam darf nicht ohne sogenannte Force Protection, also Soldaten, aus dem Lager, die eigene Verteidigung kann es am Ausbildungsort nicht leisten. Mindestens fünf Soldaten und ein Sanitäter müssen ein Team begleiten; entfernt es sich weiter als eine Stunde vom Camp, zudem ein beweglicher Arzttrupp. Für Michael Königsmann, auch Leiter des FDD-Programms in Masar, bedeutete das längere Zeit Probleme. Mal waren nicht genug Soldaten da, mal fehlten Sanitäter oder Arzt. Zeitweise konnten daher nur zwei statt sieben Teams rausfahren. Während Amerikaner ihre Schützlinge sechs Mal die Woche je zwölf Stunden begleiten, kamen Deutsche nur ein- bis zweimal pro Woche bis zu fünf Stunden. Inzwischen hat Bundeswehrkommandeur Fritz dieses Problem gelöst und die nötigen Begleiter besorgt.

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