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Politik: Es geht auch offensiver Von Armin Lehmann

Wir haben es doch vorher gewusst! Unsere Fußballer können nichts, sind überbezahlte Rumpelkicker, lassen sich besiegen von tschechischen Reserveteams: weil sie keine Technik haben, keine Ausbildung, kein Ehrgefühl im Leib; weil sie die Pille nicht von A nach B kriegen, ohne dass der Gegner sie uns wegschnappt.

Wir haben es doch vorher gewusst! Unsere Fußballer können nichts, sind überbezahlte Rumpelkicker, lassen sich besiegen von tschechischen Reserveteams: weil sie keine Technik haben, keine Ausbildung, kein Ehrgefühl im Leib; weil sie die Pille nicht von A nach B kriegen, ohne dass der Gegner sie uns wegschnappt. Und jetzt tritt auch noch Rudi Völler zurück, der Teamchef ohne Trainerlizenz, der doch so sympathisch und beliebt war. Trauern wir resigniert um unseren Fußball und ziehen wir noch schnell die Grabplatte drüber. Wird ja doch nichts mehr bis zur WM 2006 im eigenen Land.

So könnten wir das jetzt sehen, aber stimmt das auch? Entspricht das dem Zustand des deutschen Fußballs? Wahr ist schon, dass wir lange Jahre nichts verändern wollten, hartnäckig meinten, der Libero sei noch modern und die Viererkette als Abwehrformation Teufelszeug. Wir lachten Trainer wie Berti Vogts aus, der 1993 predigte, dass die Nachwuchsarbeit schlecht sei und der Reform bedürfe. Bis sich 2002 etwas veränderte, scheiterten wir dreimal kläglich bei großen Turnieren, und der EMTitel 1996 verstellte genauso wie die WM-Finalteilnahme 2002 den Blick auf die Defizite.

Aber nun – trotz des Ausscheidens in Portugal – sind wir auf dem richtigen Weg. Die Deutschen machen seit 2002 ernst mit der Reform. Sie haben akribisch ein Talentfördersystem entwickelt, haben den Profivereinen zur Auflage gemacht, Fußballinternate zu führen, haben Leistungszentren gegründet. Sie schulen Trainer nach modernsten Methoden, bei denen offensives Spiel, Technik, Spaß am Ball im Vordergrund stehen sollen. Ausgerechnet in Berlin, wo Hertha BSC fast abgestiegen wäre, findet sich ein Schwerpunkt guter Ausbildung. Hier werden immer mehr die lange vermissten Straßenfußballer entdeckt und gefördert, und sie feiern zumindest in den Jugendteams schon große Erfolge.

Das ist ein Weg zur Verbesserung des deutschen Fußballs, um ihn international wieder wettbewerbsfähig zu machen. In Frankreich dauerte dieser Reformweg zehn Jahre. Reform braucht aber nicht nur Zeit, sondern auch Mut, Kreativität und Lust. Mit der Lust zur Veränderung ist das so eine Sache in Deutschland. Wenn wir verändern, dann langsam, ordentlich, diszipliniert und mit der festen Überzeugung, dass alles hundertprozentig stimmig sein muss. Fußball aber ist zum Glück nicht planbar, im Fußball kann noch immer ein winziger Fehler oder ein Geniestreich alles ändern, sonst wäre der FC Bayern wieder Deutscher Meister und Real Madrid Champions-League-Sieger geworden. Hätten wir aber weniger Angst vor Rückschlägen, würden schon heute noch mehr Talente in den Bundesligaklubs eingesetzt werden.

Nach dem Ausscheiden in Portugal war von manchem Funktionär zu hören, dass wir jetzt nur nicht alles wieder in Frage stellen dürfen. Das nicht, aber wir sollten fragen, was wir noch besser machen können. Ausgerechnet Rudi Völler hat uns mit seinem Rücktritt daran erinnert, dass er nach dem Debakel bei der EM 2000 eine optimale Notlösung war, weil man den Profi, den man wollte, nicht bekam. Ein Mann von der Sorte eines Ottmar Hitzfeld würde fortführen, was Völler gut begonnen hat.

Wir sind nicht die Deppen Europas. Auch Spanien und Italien sind draußen. Deutschland hat eigene Talente. Ein paar von ihnen haben wir in Portugal spielen sehen. Wir können sie auspfeifen. Oder sie anfeuern, 2006 das zu zeigen, was sie wirklich können.

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