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Politik: „Es geht um das Existenzrecht der Juden“

Israels Botschafter Schimon Stein sieht die Zeit für einen Waffenstillstand noch nicht für gekommen

Israels Luftwaffe fliegt den sechsten Tag in Folge Angriffe auf Libanon und Gaza. Wie lange kann und will Israel den Konflikt an zwei Fronten durchhalten?

Das frage ich mich seit 1948. Was sich jetzt abspielt ist im Grunde die Fortsetzung des Krieges von damals. Alles geht zurück auf die grundsätzliche Frage nach der Bereitschaft der arabischen und palästinensischen Seite, sich damit abzufinden, dass Juden ein Recht auf Existenz im eigenen Land haben. Wir werden diesen Kampf so lange weiterführen, wie wir es müssen. Die Länge bestimmt unser Nachbar und Gegner.

Was würde geschehen, ließe Hisbollah die beiden israelischen Soldaten frei?

Das würde uns nicht ausreichen. Die Freilassung der Soldaten ist nur ein Teil des Problems. Wir sind entschlossen, nicht zum Status quo ante zurückzukehren. Unser Partner ist im Übrigen nicht die Hisbollah sondern der Staat Libanon, von dessen Boden aus die unprovozierte Attacke geführt worden ist. Wir haben drei klare Ziele, die auch der G-8-Gipfel formuliert hat: die Freilassung der Soldaten, ein Ende des Raketenbeschusses und die Implementierung der UN-Resolution 1559, die einen Abzug aller ausländischen Kräfte aus dem Südlibanon vorsieht sowie die Auflösung der Milizen.

Um einen Flächenbrand in der Region zu verhindern rufen EU-Minister dringend zum Ende der Gewalt auf. Sie sehen das nicht als den richtigen Weg?

Nein. Wir werden uns im Moment nicht auf einen Waffenstillstand einlassen. Jetzt, während wir uns unterhalten, werden Raketen auf Israel abgefeuert. Wir haben diesen Kampf nicht gewollt. Aber jetzt werden wir alles dafür tun, um die Infrastruktur der Hisbollah zu zerstören, die mit Hilfe Damaskus’ und Teherans im Libanon aufgebaut worden ist. Die Staatengemeinschaft sollte Maßnahmen gegen Syrien und den Iran ergreifen – das wäre eine angemessene Antwort auf diese Provokation, und nicht, Israel zu bitten, den Kampf einzustellen.

Israels Generalstabschef will die Hisbollah „ausrotten“. Kann eine so weit verzweigte und verwurzelte Organisation auf diese Weise bekämpft werden?

Bekommen wir Terrororganisationen wie Hisbollah oder Hamas nicht in den Griff, steht das in einem größeren Zusammenhang. Es geht nicht nur um Israel, das künftig immer wieder mit Terror konfrontiert würde. Es geht um eine Kampfansage gegen den Westen insgesamt, und um die Glaubwürdigkeit des Weltsicherheitsrates. Die Resolution 1559 spricht eine klare Sprache, und die Staatengemeinschaft sollte Libanon helfen, diese zu implementieren. Tut man das nicht, ist der Weltsicherheitsrat – nicht zum ersten Mal – gescheitert.

Statt Hisbollah-Kämpfern sterben vor allem Zivilisten, Juristen nennen Angriffe auf Flughafen oder Elektrizitätswerke völkerrechtswidrig. Was entgegnen Sie Ihnen?

Ist es völkerrechtlich in Ordnung dass eine Organisation wie Hisbollah sich als Staat im Staat etabliert und Terrorakte gegen einen anderen Staat ausübt? Man sollte Ursache und Wirkung nicht verwechseln. Was die Zivilisten betrifft: Der Unterschied zwischen dem Staat Israel und der Terrororganisation ist, dass wir uns verteidigen. Aber Hisbollah, genau wie Hamas, verschanzt sich hinter der Bevölkerung. Das ist ein asymmetrischer Krieg, der nicht mit Mitteln zweier Armeen geführt werden kann. Hisbollah hat ihre Hauptquartiere mitten in der Bevölkerung und lagert ihre Raketen in Dörfern im Südlibanon und Beirut. Was bleibt uns anderes übrig, als diese anzugreifen? Wir haben überall Flugblätter verteilt, in denen die Bevölkerung vor der Bombardierung gewarnt und aufgefordert wurde, die Dörfer zu verlassen. Wir gehen ganz vorsichtig vor und bedauern jedes unschuldige Opfer.

Das Gespräch führte Ruth Ciesinger.

Schimon Stein ist seit Januar 2001 Botschafter in Deutschland. Der Diplomat, der bekannt ist für seine klaren Worte, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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