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Politik: Es geht um den Zuschlag

Die Verhandlungen sind ins Stocken geraten – doch von einer Krise will kaum einer sprechen

Von Robert Birnbaum

Berlin - Eigentlich hätte Edmund Stoiber ja eine gute Gelegenheit gehabt, kurz vor dem nächsten Koalitionsgipfel zur Gesundheitsreform live und öffentlich ein bisschen rumzupoltern. Aber der CSU-Chef hat sich schon vor dem kleinen CSU-Parteitag am Samstag in Amberg in der Oberpfalz aufgeregt, nachzulesen dann in der „Bild am Sonntag“: „Wenn die SPD von dieser Steuerlawine nicht abrückt, ist es besser, sich mit der Entscheidung über die Gesundheitsreform noch etwas Zeit zu lassen.“ Die deutlichen Worte in Amberg hat er seinem Gast überlassen, dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger: „Wahnsinn“ nennt der den Gedanken, die Beiträge zur Krankenversicherung massiv abzusenken und im rechnerischen Gegenzug Steuern um bis zu 40 Milliarden Euro zu erhöhen. Und damit die eigene Führung in Berlin, speziell die Kanzlerin, die Botschaft auch genau versteht, fügt Oettinger eine kaum verhüllte Drohung an: „Das kann nicht die Handschrift der Union in Deutschland sein!“

Eine Krise der Gesundheitsverhandlungen – oder doch mehr Theaterdonner? Tatsache ist, dass die Länderfürsten der Union außerordentlich beunruhigt waren durch Berichte, Angela Merkel habe in der letzten Spitzenrunde zur Gesundheitsreform Sympathie für das SPD-Modell einer massiven Steuerfinanzierung gezeigt. Dass die Berichte eine gewisse Plausibilität zu haben schienen, hängt mit der Vorgeschichte der Gesundheitsreform in der Union zusammen.

Als nämlich die CDU-Chefin Merkel ihrer Partei die Kopfpauschale schmackhaft zu machen versuchte, spielten Steuern schon einmal eine erhebliche Rolle. Mit Steuermitteln sollte in diesem Modell sozial ausgeglichen werden, was die geplante Einheitsprämie für Geringverdiener unzumutbar gemacht hätte. Damals argumentierte Merkel, dass ein Steuerausgleich gerechter sei als der jetzige innerhalb des beitragsfinanzierten Systems. Steuern nämlich werden auf das gesamte Einkommen fällig, Beiträge nur auf jene Einkommensteile, die unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze von rund 3500 Euro liegen. Die Folge also: Mehr Geld von Reichen geht in den Sozialausgleich. Was ziemlich genau das gleiche Argument ist, mit dem SPD-Politiker jetzt dafür werben, direkt oder per Zuschlag die Einkommensteuer anzuheben.

Nun ist es so, dass Teilnehmer jener Koalitionsrunde zwar bestätigen, dass Modelle zur Steuerfinanzierung derzeit berechnet würden – nicht aber, dass Merkel dem großen Steuer-Umbau das Wort geredet habe. Die Kanzlerin selbst winkt inzwischen öffentlich ab: „Das kann man vergessen“, sagt sie am Samstag beim Landesparteitag ihrer Heimatpartei in Mecklenburg-Vorpommern zu den SPD-Maximalplänen. Denkbar hingegen sei, auf den alten Gedanken zurückzukommen, die Versicherung der Kinder künftig aus Steuermitteln zu finanzieren. Denn: „Dann müssen Leute wie ich, die keine Kinder haben und gut verdienen, auch mit ran.“ Eine Idee, die auch Stoiber unterstützt – schließlich steht dieses Projekt ja auch schon im Gesundheitskompromiss, den CDU und CSU 2004 nach bitterem Streit miteinander schlossen.

Also Krise? Vorerst, sagen Teilnehmer der Koalitionsrunde am Sonntagabend, noch mehr Theaterdonner: „Da bauen beide Seiten natürlich erst mal ihre Maximalpositionen auf.“ Auf Unionsseite wird überdies gar nicht bestritten, dass das lautstarke Nein zu höheren Steuern nebenher auch Mittel zu einem anderen Zweck ist: Die Union, voran die CSU, will durchsetzen, dass auf der Einsparseite des Gesundheitswesens mehr unternommen wird. Dass bei 145 Milliarden Euro Gesamtumsatz nur zwei Milliarden Euro Sparvolumen drin sein solle, sei nicht nachzuvollziehen.

Dahinter wiederum steckt auch ein polittaktisches Kalkül. Selbst wenn nur die Krankenversicherung für die Kinder vom Steuerzahler aufgebracht werden soll, müssen diese 14 bis 16 Milliarden Euro irgendwoher kommen. Da an eine nochmals höhere Mehrwertsteuer niemand zu denken wagt, kommt wieder die Einkommensteuer ins Spiel. Wenn aber Abgeordnete demnächst höhere Steuern vor ihren Wählern verteidigen müssen, sollen sie sich wenigstens nicht auch noch anhören müssen: „Aber mit Sparen habt ihr’s wieder gar nicht erst versucht!“

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