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Politik: Es grünt mit Macht

Die Partei könnte jetzt wieder in einem Bundesland mitregieren – aber noch ziert sich die Bremer SPD

Von
  • Hans Monath
  • Carsten Werner

Bremen/Berlin - „Das wart ihr alle!“, rief Karoline Linnert um 18 Uhr in die jubelnde Menge auf der Wahlparty der Grünen in einem Restaurant am Bremer Marktplatz. Gleich mit der ersten Prognose stand sie vor den Fernsehkameras, strahlte: „Ich bin froh.“ Und wurde fordernd: „Wir haben ein überragendes Votum der Wähler bekommen. Bremen braucht den Wechsel. Wir möchten gern mitregieren“, kommentierte sie das unerwartet gute Abschneiden – ihr erklärtes Wahlziel „15 plus“ hatten Grüne in Bremen in den vergangenen Wochen eher vorsichtig heruntermoderiert.

In der Berliner Bundeszentrale der Grünen war einige Sekunden nach 18 Uhr zeitgleich schon im Treppenhaus ein schriller Freudenschrei zu vernehmen: Claudia Roth ließ ihren Gefühlen freien Lauf, bevor sie vor die Kameras trat. „Ein ganz großartiges Ergebnis“, jubelte die Parteivorsitzende und freute sich über das „mit Abstand allerbeste Ergebnis, das wir je in einer Landtagswahl bekommen haben“. Die Wähler in Bremen hätten deutlich gemacht, „dass unsere grünen Themen ganz, ganz oben auf der Tagesordnung stehen.“ Die Formulierung einer expliziten Lehre für die Bundespolitik vergaß die Parteichefin im Freudentaumel. Das übernahm für sie ihr Kovorsitzender Reinhard Bütikofer: „Ich sehe nicht nur einen Landesaspekt“, sagte er im ZDF, „das Signal gilt bundesweit. Wir freuen uns unbändig.“ Die Partei punkte mit sehr großer Glaubwürdigkeit etwa in der Klima- oder in der Familienpolitik.

Das zweite Wahlziel – eine Regierung gemeinsam mit der SPD – ist noch nicht erreicht, aber allein die Aussicht auf die Regierungsbeteiligung elektrisiert die Partei, die 2005 im Bund aus der Regierung ausgeschieden war und seitdem auch in keiner Landesregierung mehr vertreten ist. Roth sieht das Ergebnis als „Anerkennung für konstruktive Politik“. Linnert will Bürgermeister Jens Böhrnsen „Kompetenz, Sachverstand und Einsatzvermögen anbieten“, die die Grünen schon in der Opposition gezeigt hätten: Viele Hinweise von ihnen habe die große Koalition ja übernommen.

Umjubelt von seiner Partei, kündigte Böhrnsen ausführliche Sondierungsgespräche „mit den möglichen Partnern“ an. Der 57-jährige SPD-Politiker legt großen Wert auf eine „breite Debatte in der Partei“. Er versprach: „Hier geht nichts par ordre du mufti.“ So ließ sich auch kein anderer Sozialdemokrat zu vorschnellen Partnerwünschen hinreißen.

Hinter vorgehaltener Hand meinen manche Genossen, dass man bei einer strukturellen linken Mehrheit von über 60 Prozent der Wählerstimmen – SPD, Grüne und Linke zusammengenommen – nicht einfach mit der CDU weiterregieren könne. Das sieht auch Linnert so: „Man kann ja nicht weiter eine große Koalition machen, wenn beide großen Parteien verloren haben.“ Bildungssenator Willi Lemke hatte, genervt von Attacken der CDU auf die resozialisierte Ex-Terroristin Susanne Albrecht, kurz vor der Wahl gesagt: „Schade, dass zwölf Jahre großer Koalition so zu Ende gehen.“

Während Linke, Grüne und trotz Verlusten von über fünf Prozentpunkten auch die SPD-Anhänger jubelten, herrschte bei der CDU betretenes Schweigen. Der erst 40-jährige CDU-Spitzenkandidat Thomas Röwekamp machte, sichtlich angeschlagen, vor allem den Wahlkampf der SPD für die Verluste seiner Partei verantwortlich, weil der Partner sich nicht zur großen Koalition bekannt habe. Das hätte viele Bremer verunsichert.

Böhrnsen dagegen kritisierte: „Man darf nichts dämonisieren, weder die große Koalition noch Rot-Grün.“ Die CDU habe dies getan und damit „einen großen Fehler“ gemacht. „Eine Koalition ist doch nichts, was mit Automatismus weitergeführt werden kann. Zumindest für mich schließt sich das aus.“

Der leicht beleidigte Ton Röwekamps macht die Grünen noch selbstbewusster. Der frühere grüne Umweltsenator und jetzige Chef der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, jetzt wieder als Senator gehandelt, sagte dem Tagesspiegel: „Wir haben keinen Grund, uns klein zu machen.“ Er sehe viele Schnittmengen mit der SPD und empfinde es als „Segen für die politische Kultur in Bremen, wenn es zu einem Wechsel käme und diese politische Lähmung beendet würde“.

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