zum Hauptinhalt

Politik: „Es ist gut, hier zu sein“

Der Besuch des britischen Premiers hilft Libyen aus der Isolation – und Blair im Kampf gegen den Terror

Den britischen Diplomaten fiel ein Stein vom Herzen, als sich Libyens eher unberechenbarer Staatspräsident Muammar al Gaddafi an die Regie hielt und den üblichen Wangenkuss unterließ. Tony Blair reichte ihm förmlich die Hand – und dann noch einmal, für die Fernsehcrews. Es war die „Hand der Partnerschaft“, wie er später sagte, und der Höhepunkt von über zwei Jahren meist im Geheimen geführter Diplomatie.

„Sie sehen müde aus“ begrüßte Gadaffi den britischen Gast, „aber ich sehe, sie sind noch jung und voller Kraft“. „Gut hier zu sein“, antwortete Blair und setzte sich in Gaddafis Beduinenzelt auf dem Acker vor den Toren von Tripolis nieder. Dann begann er mit dem „verrückten Hund“ (Ronald Reagan),über die Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sprechen – ausgerechnet mit Gaddafi, der hinter der Ermordung der britischen Polizistin Yvonne Fletcher 1984 in London, hinter dem Berliner „La Belle“-Anschlag von 1986 und dem Lockerbieabsturz von 1988 mit seinen 280 Todesopfern stand.

Blairs Reise nach Tripolis war eine der wagemutigsten diplomatischen Offensiven des Briten. Italiens Silvio Berlusconi und der Spanier Jose Maria Aznar waren ihm zwar vorausgeeilt, aber der Bruch mit Großbritannien war am tiefsten. „Viel zu schnell, viel zu viel Vertrauensvorschuss“, schimpfte in London die Opposition über den Besuch. Doch Blair wollte die schnelle Anerkennung für den Friedensschwenk, den Gaddafi mit der Aufgabe seines Atom- und Chemiewaffenprogramms an Weihnachten besiegelt hatte. „Ich habe mich auch mit den Leuten von Sinn Fein an einen Tisch gesetzt“, so Blair später unter Verweis auf seine Verhandlungen mit irischen Terroristen. „Natürlich vergessen wir nicht die Schmerzen der Vergangenheit. Aber es ist Zeit, nach vorne zu sehen, wenn dies dem Frieden dient.“

Britischen Diplomaten zufolge erkannte Gaddafi schon 1998, dass er sein Land ohne westliche Investitionen ins wirtschaftliche Abseits führen und die Gefolgschaft seiner jungen Bevölkerung verlieren würde. Großbritannien setzt nicht nur auf die Chance, nun mit dem Ölland wieder ins Geschäft zu kommen, auch wenn Royal Dutch/Shell am Donnerstag ein 120-Millionen-Pfund-Vertrag über Gasprobebohrungen vor der libyschen Küste versprochen bekam und für British Aerospace ein Rüstungsauftrag folgen soll. Man hält es in London insgesamt für sinnvoller, Libyen aus freundschaftlicher Nähe im Auge zu behalten, als dass es mit Sanktionen klein, aber gefährlich bleibt.

Vor allem soll Libyen nun ein wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus werden. Libyen und Großbritannien seien über die Gefahren des islamischen Fundamentalismus einer Meinung, hieß es. Die britische Seite ließ durchblicken, dass aus Tripolis bereits ein Strom wichtiger Informationen über Fundamentalistengruppen nach London geleitet wurde. Gadaffi und sein Regime verfügt über ein wertvolles Spionagenetz – das ist nun fast so viel wert wie die 36 Milliarden Barrel der libyschen Ölreserven.

Zur Startseite