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Politik: Es kann noch besser werden

Von Moritz Kleine-Brockhoff

Seit einem Jahr läuft die größte Hilfsaktion der Menschheitsgeschichte. Tsunami-Überlebende versorgen und bauen wieder auf – mehr als zehn Milliarden US-Dollar stehen zur Verfügung. Trotzdem hocken nach zwölf Monaten immer noch Zehntausende von Menschen in Zelten.

Aus den am meisten betroffenen Ländern Indonesien, Sri Lanka, Indien und Thailand kommen nur in einem Fall positive Berichte. Sie stammen aus Thailand, ausgerechnet aus einem Land, das auf staatliche Auslandshilfe verzichtete. Das klingt überraschend, ist aber logisch. Der Schaden war geringer, Thailand hat eine ordentliche Infrastruktur, die intakt blieb, und die Thais arbeiteten unbürokratisch. Ihre Regierung nahm privates Spendengeld und sagte Soldaten, sie sollten bauen. Bestimmt ging dabei einiges schief, Thailand ist alles andere als korruptionsfrei. An manche Orte kam zu viel Hilfe, allerdings gab es praktisch nirgends zu wenig. Unterm Strich bleibt eine Krisenbewältigung, die sich sehen lassen kann.

Doch versinken derweil internationale Tsunami-Helfer in Bürokratie, und die Obdachlosen leiden darunter. Selbst in Desastergebieten verbringen Mitarbeiter großer Hilfsorganisationen oder von UN und Weltbank den größten Teil ihrer Arbeitszeit vor dem Laptop. Sie schreiben Anträge und Berichte, oder sie sitzen in Koordinierungstreffen. Diese sind natürlich wichtig. Wie konnte es aber trotz der vielen Gespräche dazu kommen, dass Bereiche brachliegen? Kaum jemand kümmert sich, zum Beispiel, um den zerstörten Teil der Stadt Banda Aceh. In allen Tsunami-Ländern können viele Bauprojekte – nun endlich verabredet, beantragt und genehmigt – nicht umgesetzt werden. Materialtransport ist schwierig. Sah niemand voraus, dass der Bau von mehr als 100 000 Häusern nur zügig vorangeht, wenn Straßen und Häfen brauchbar sind? Vielleicht lautet die Wahrheit so: Ein Hafenprojekt ist teuer und zählt wenig in der Öffentlichkeit. Also sollen das lieber andere machen.

Helfer schimpfen auf Journalisten, weil die nur neue Häuser zählten. Was stimmt: Zu wenig wird gewürdigt, dass die Gesundheitsversorgung im Großen und Ganzen in allen Tsunami-Gebieten wieder steht. Dass Seuchen ausblieben und es genug zu essen sowie sauberes Wasser gibt. Dass Kinder wieder zur Schule gehen und dass lokale Wirtschaften in Gang kommen. Gleichzeitig muss erlaubt sein, auf Missstände hinzuweisen: Angesichts der Finanzkraft dieser Hilfsaktion sind Tsunami-Opfer in Zelten nach einem Jahr inakzeptabel.

In Indonesien dauerte es vier Monate, bis die Regierung eine Aufbaubehörde mit Autorität ins Leben rief. Über umstrittene Landrechte, auch ein großes Problem in Sri Lanka und Indien, konnte vorher kaum gesprochen werden. Den Vereinten Nationen fiel zur Jahresmitte auf, dass sie in Aceh einen Koordinator für die vielen UN-Agenturen benötigen, die dort arbeiten, erst seit Ende November wird effektiv zusammengearbeitet. Und die Weltbank, mit ihrem Fonds größter Wiederaufbau-Akteur, kann in Aceh außer Studien und Plänen bisher kaum etwas vorweisen. Die meisten mittleren und kleinen Hilfsorganisationen reagierten zunächst schnell. Sie waren zu Jahresbeginn monatelang mit Nothilfe beschäftigt, die überlebenswichtig und fantastisch war. Doch in dieser Phase versäumten viele NGOs, ihre mittel- und langfristigen Projekte auf den Weg zu bringen. Das Geld war da, es fehlten Mitarbeiter. Wer im Einsatz war oder ist, ist überlastet. Noch mehr Personal hätte zusätzlich eingestellt werden müssen, vor allem Logistik- und Baufachleute.

Beobachterschelte darf nicht ausblenden, wie human, wie wunderbar der weltweite Beistand für die Tsunami-Opfer war und nach wie vor ist. Eine so große Hilfsaktion gab es noch nie, da sind Mängel unvermeidbar. Allerdings ist nach Fehlern nur schlauer, wer sie analysiert. Leider werden Naturkatastrophen immer häufiger. Deshalb ist es wichtig, in Zukunft noch besser reagieren zu können. Die öffentlichen Jahresbilanzen aller Hilfsorganisationen waren fast ausschließlich positiv. Hoffentlich wird intern über das gesprochen, was nicht so gelungen lief. Auch Selbstkritik hilft.

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