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Politik: „Es kann sein, dass wir unseren Auftrag nicht erfüllen können“

DRK-Präsident Ipsen zum Attentat in Bagdad und den Folgen

KNUT IPSEN (68) ist Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Der Jurist gilt als einer der angesehensten Völkerrechtler Deutschlands.

Das Rote Kreuz soll in Krisengebieten als unangreifbare Kraft humanitäre Hilfe leisten. Wie gehen Sie mit der Situation um, dass diese Grenze so eklatant überschritten wurde?

Es ist für uns ein überraschender Angriff gewesen. Aber es ist, gemessen an Vorkommnissen in vergleichbaren Situationen, auch wieder nicht Ungewöhnliches. Auch in Tschetschenien und Ruanda etwa wurden Rot-Kreuz-Helfer getötet. Nach dem, was wir bisher wissen, scheint es so zu sein, dass auch das Gebäude des Roten Kreuzes in Bagdad von den Selbstmordattentätern gezielt angegriffen worden ist. Das wird offenbar gemacht, um die humanitäre Hilfeleistung zu sabotieren und jeglichen externen Einfluss zu unterbinden.

Wenn Helfer als „weiche Ziele“ benutzt werden, sind sie dann nicht irgendwann gezwungen, das Land zu verlassen?

Das kann natürlich passieren. Gegenwärtig sind derartige Überlegungen nach meinem Kenntnisstand noch nicht angestellt worden. Aber es ist sicher, dass solche Angriffe, insbesondere im Wiederholungsfall, Überlegungen der Verantwortlichen nach sich ziehen, ob man die eigenen Leute nicht zu ihrem Selbstschutz wird abziehen müssen.

Ist das Rote Kreuz nicht durch die Genfer Konvention zur Hilfe verpflichtet?

Es kann der Fall eintreten, dass wir unseren Auftrag nicht mehr erfüllen können – weil es schlicht nicht mehr vertretbar ist, die eigenen Helferinnen und Helfer vor Ort zu lassen. Derartige Überlegungen sind uns von der Genfer Zentrale jedoch noch nicht mitgeteilt worden.

Kann das Völkerrecht bei Konflikten wie im Irak, wo es keine erklärten Kriegsparteien gibt, überhaupt greifen?

Es muss immer wieder verlangt und darauf gedrungen werden, dass das Völkerrecht eingehalten wird. So wie es in den über 130 Jahren der Genfer Konvention versucht worden ist. Die Vorkommnisse, die sich am Montagmorgen in Bagdad ereignet haben, sind schlimme Einzelfälle. Dem steht gegenüber, dass das humanitäre Völkerrecht über Jahrzehnte auch eingehalten worden ist. Dass ebenso seit Jahrzehnten – auch im Irak – das Rote Kreuz und der Rote Halbmond ihre humanitäre Aufgabe erfüllt haben und bemüht sein werden, sie auch in Zukunft zu erfüllen. Eine Änderung des humanitären Völkerrechts ist nicht zu erwarten.

Das Gespräch führte Christian Gaca.

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