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Politik: Es knirscht schon wieder

Neue FDP-Führung widerspricht sich öffentlich in Atomfrage / Konflikt zwischen Jung und Alt

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Keine vier Wochen sind vergangen, seit die im Umfragetief feststeckende FDP bei ihrem Parteitag in Rostock mit Philipp Rösler, Christian Lindner und Rainer Brüderle die Zukunft in junge und gleichsam erfahrene Hände gelegt hat und den Personalquerelen der zurückliegenden Monate damit ein Ende machen wollte.

Doch schon bei der ersten Bewährungsprobe der neuen Führungsmannschaft, der schwarz-gelben Atomwende, knirscht es zwischen den Jungen und den Alten in der FDP. Und zwar so heftig, dass sich manch Liberaler an die mahnenden Worte des Altvorsitzenden Hans-Dietrich Genscher erinnert fühlt, der im Frühjahr dringend zu einer Komplettrevision der Parteispitze geraten hatte.

Auslöser für den neuesten Krach ist die Kritik von Generalsekretär Christian Lindner an einem Detailpunkt der Atomgesetze, die zum Wochenbeginn im Kabinett verabschiedet wurden. Anders als am Sonntag vor einer Woche im Koalitionsausschuss mit der Union verabredet, hatte die Kanzlerin vergangenen Freitag dem Drängen der Ministerpräsidenten nachgegeben und eine Kaskade der Daten festgelegt, an denen die Atomkraftwerke schrittweise bis 2022 abgeschaltet werden sollen. Was Kennern des Fachs und auch der Politik als sinnvoll erschien, roch für Lindner nach einem taktischen Zug der Kanzlerin, mit SPD und Grünen zu einem gesamtgesellschaftlichen Atomkonsens zu kommen. Auf Kosten des ohnehin angeschlagenen Koalitionspartners FDP. Was ihn als Generalsekretär natürlich schon von Amts wegen erzürnen musste.

Der 32 Jahre junge Lindner jedenfalls gab diesem Impuls offenbar sofort nach. Zunächst am Wochenende, als er einem Journalisten vom „Kölner Stadtanzeiger“ diktierte, die von Merkel gefundene Lösung ziehe womöglich „Entschädigungszahlungen“ nach sich, weil die Stromkonzerne dadurch auf einen Teil ihrer Laufzeiten verzichten müssten. „Wir hätten vielleicht Vorsorge getroffen“, wies Lindner auf rechtliche Bedenken innerhalb der FDP hin und schob der Union die Schuld in die Schuhe: „Seitens der Union wurde gesagt, das sei nicht erforderlich.“ Damit trage die Union nun auch die Verantwortung.

Ein Vorgang, der innerparteilich verständlich ist, schließlich ist die FDP alles andere als zufrieden mit dem schwarz-gelben Atomkonsens. Der allerdings beim Koalitionspartner sofort zu Ärger führte. Wo man doch das Energiethema zum Beweis neuer Führungsstärke der Regierung erhoben hatte. Doch Lindner, anstatt es bei der einen Zeitungsäußerung zu belassen (nach dem Motto: Was gesagt werden muss, muss mal gesagt werden), legte am Dienstag noch nach. Nun erweckte er sogar den Eindruck, um die Rechtssicherheit der Beschlüsse besorgte FDP-Obere hätten Ende vergangener Woche beim Koalitionstreffen auf den Punkt Entschädigung aufmerksam gemacht, seien jedoch von der Kanzlerin und CSU-Chef Horst Seehofer zurückgewiesen worden. Eine Schilderung, die womöglich ein wenig überspitzt war, die Lindners Widersacher in der eigenen Partei jedoch sofort auf den Plan gerufen hat. Statt die Sache auf sich beruhen zu lassen, meldete sich die FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Mittwoch mit einem klaren Widerspruch zu Wort: Sie als Juristin sehe keinerlei Rechtsunsicherheit in der gefundenen Lösung.

Und Fraktionschef Rainer Brüderle vollendete hernach die Bloßstellung des eigenen Generalsekretärs (ein „Politikwissenschaftler“). Er meldete sich mit der Bemerkung, er könne sich überhaupt nicht daran erinnern, dass sich letzte Woche jemand aus den verantwortlichen Ressorts der Regierung wegen rechtlicher Bedenken gemeldet habe, die dann von Merkel und Seehofer auch noch zurückgewiesen worden sein sollen. Christian Lindner steht nun wie ein Nestbeschmutzer der eigenen Regierung da, der noch nicht mal in der FDP Unterstützung hat.

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