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In der CDU regt sich Widerstand gegen das Agieren von Parteichefin Angela Merkel.

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Kursdebatte: Es rumort in der CDU

Schlechte Umfragewerte, die Atomwende und jetzt die Euro-Krise: In der CDU regt sich allmählich Kritik an der Parteiführung, der ein heißer Herbst bevor steht.

Man stelle sich das nur mal vor: Die SPD wäre jetzt am Ruder. Jene Partei, mit dieser masochistischen Ader, der klammheimlichen Liebe zur Selbstzerfleischung. Es wäre die reinste Schlacht und die Parteivorsitzenden wären nur so geflogen bei dieser Melange aus Umfragewerten, 180-Grad-Wendungen und dem drohenden Abschied von politischen Gewissheiten. Eine solch unerbitterliche Leidenschaft legt die CDU noch nicht an den Tag. Aber der Unmut, die Unzufriedenheit, die Stellvertreter-Kriege beginnen. Kein Wunder nach dem Fehlstart der Koalition, den schlechten Umfragewerten, der abenteuerlichen Kehrtwende in der Energiepolitik, dem schnellen Abschied von der Wehrpflicht und jetzt auch noch die Debatte um die Zukunft des Euro. Viele spüren, dass die Stabilitätspolitik, die Europapolitik zum Hartz IV der CDU werden kann. Denn es waren Helmut Kohl und Theo Waigel, die den Maastrichter Vertrag ausgehandelt haben, die darauf gedrungen haben, dass Europa eben keine Transferunion wird, dass Geldwertstabilität oberste Priorität ist. Eine harte Währung ist für die CDU, was der Sozialstaat für die SPD ist.

Und was viele Christdemokraten am meisten irritiert, ist der Unwille zur Debatte. Nun ist die CDU - eben anders als die SPD - keine Partei, die prinzipiell sehr viel Wert auf Diskussionen und Debatten legt. Sie ist von ihrer Veranlagung eher ein Kanzlerwahlverein. Eine Partei, die den Vorgaben der Parteiführung folgt. Nur, erstens gibt es kaum mehr inhaltliche Vorgaben der Parteivorsitzenden Angela Merkel. Es sind mehr vollendete Tatsachen, Wendungen, die im Nachhinein nachvollzogen beziehungsweise erst kurz vor der Entscheidung überhaupt erkennbar werden, weil Merkel dem pragmatischen Prinzip des Machbaren folgt. Es geht um Machterhalt. Und zweitens will eine Partei trotz ihres Hangs zum Gehorsam bei elementaren Fragen das Gefühl der Bedeutsamkeit bekommen, sie will zumindest glauben, einbezogen zu sein. Und Europa ist so eine grundsätzliche Frage für die CDU.

Doch stattdessen plant die Parteiführung einen Parteitag im November, bei dem es um die Hauptschule geht. Eine Schulform, die selbst in CDU-geführten Bundesländern längst ein Auslaufmodell ist. Wirklich ernsthaften Streit darum gibt es nicht. Die Abschaffung der Gymnasien, das wäre so ein bildungspolitisches Grundsatzthema. Aber davon redet keiner.

Baden-Württembergs CDU-Fraktionschef Peter Hauk hat der Bundeskanzlerin jetzt Kurzatmigkeit vorgeworfen. Hauk sagte der Nachrichtenagentur dpa, der Modernisierungskurs von CDU-Chefin Merkel sei zwar grundsätzlich in Ordnung. "Aber sie bleibt nicht konsequent dabei, sondern verlässt öfter einfach die Baustelle." Die Energiepolitik und der Klimaschutz seien Beispiele dafür. Nach der Atom-Katastrophe im japanischen Fukushima habe sie einfach das Ruder herumgerissen, ohne die Partei einzubeziehen. Wirklich hinreichende Erklärungen habe es nicht gegeben. "Das führt zu mangelnder Glaubwürdigkeit und Profillosigkeit."

Ähnliche Kritik gab es auch schon vom früheren baden-württembergischen Ministerpräsident Erwin Teufel. Bernhard Vogel, der sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in Thüringen Ministerpräsident war, forderte Führungsstärke von Merkel. „Dazu gehört auch, nicht nur auf die Wähler zu hören, sondern zu führen und sie von als notwendig erkannten Zielen zu überzeugen“, sagte er dem "Handelsblatt".

Was und vor allem, wann die Partei nun über die Europapolitik und die Zukunft des Euro diskutiert, bleibt vorerst unklar. Forderungen, einen Sonderparteitag durchzuführen, wurden bisher nur von wenigen geäußert, wenngleich hinter vorgehaltener Hand einige mit dieser Idee sympathisieren.

Fraktionsvize Günter Krings warnte nun vor einer "zu aufgeregten" Kurs-Debatte. Es bringe nichts, sich abstrakt zu beschweren. Die Diskussion um den Kurs der Partei müsse an konkreten Themen festgemacht werden. "Aber klar ist, dass es nicht nur um die Bildungspolitik auf dem nächsten CDU-Bundesparteitag gehen wird", sagte der Fraktionsvize dem Tagesspiegel. Alle Untergliederungen der Partei könnten Anträge zu beliebigen Themen stellen. Er stellt klar: "Es ist doch selbstverständlich, dass grundsätzliche Fragen der europapolitischen Ausrichtung unserer Partei auf einem Parteitag behandelt werden."

Bildungsministerin Annette Schavan, eine enge Vertraute Merkels, wies hingegen in der "Bild am Sonntag" Forderungen zurück, den Parteitag vorzuziehen und vom Schwerpunkt Bildungspolitik abzurücken.

Selbst beim Koalitionspartner FDP reibt man sich etwas die Augen. "Es ist schon etwas verwunderlich, dass die CDU auf ihrem Parteitag nicht über die Europapolitik diskutieren will, denn wir spüren sehr deutlich, dass es in unserer gemeinsamen Wählerklientel eine erhebliche Verunsicherung bei diesem Thema gibt", sagt FDP-Fraktionsvize Patrick Döring dem Tagesspiegel.

Aber nicht nur Merkel gerät unter Druck, sondern auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Der Unions-Haushaltsexperte Norbert Barthle sagte dem "Spiegel": "Wir müssen unsere Politik stärker von unserem Wertefundament her erklären. Hier vermisse ich die Parteizentrale als Ideengeber." Der CDU-Mittelstandspolitiker Josef Schlarmann klagte an selber Stelle, in der Kursdebatte bleibe Gröhe "überraschend blass".

Tatsächlich aber ist gerade die Kritik an Gröhe auch ein Indiz dafür, dass nun die Stellvertreter-Attacken geführt werden: Attackiert wird Gröhe, gezielt wird aber eigentlich auf die Chefin. Nach dem miesen Sommer könnte es zumindest politisch ein heißer Herbst werden.

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