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Politik: Es wird mehr Arbeit werden

WIE VIELE STUNDEN?

Von Alfons Frese

Geld oder Arbeit? Wer in Rüsselsheim einen Opel Vectra montiert, der steht vor dieser Frage. Opel verkauft zu wenig Autos, um alle Mitarbeiter so zu beschäftigen, dass es sich für das Unternehmen auch lohnt. Deshalb sollen die Autobauer weniger arbeiten und auf etwas Lohn verzichten; dafür wiederum wird erst mal niemand gefeuert. Und wenn die Leute irgendwann wieder mehr Opel kaufen, arbeiten die Beschäftigten wieder länger und für das alte Geld.

Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich ist als Rettungsinstrument seit zehn Jahren populär. Damals erfand VW die Vier-Tage-Woche, sparte auf einen Schlag knapp 20 Prozent Personalkosten und konnte so die Kündigung für 30000 Mitarbeiter verhindern. Eine tolle Sache. Und ziemlich einzigartig. Denn auf Grund des Welterfolgs Käfer hatte das Wolfsburger Unternehmen über Jahrzehnte quasi eine Monopolstellung und konnte hohe Löhne zahlen. Die Lohneinbußen durch die Vier-Tage-Woche sind deshalb erträglich.

Schule gemacht hat VW nie. Auch die jetzt diskutierten Arbeitszeitverkürzungen sind nichts anderes als Einzelfälle. Versuche, sich aus einer konjunkturellen – wie bei Opel – oder strukturellen – wie bei der Telekom – Bredouille zu befreien. Die Telekom hat 50000 Beamte in der Mannschaft, eine Gruppe mit besonderen Schutzrechten, der zum Beispiel nicht gekündigt werden kann. Die Telekom strebt nun eine Kürzung von Weihnachts- und Urlaubsgeld bei entsprechend kürzerer Arbeitszeit an – auf diesem Weg kann man die Beamten an der Unternehmenssanierung beteiligen.

Was betriebswirtschaftlich, also für das einzelne Unternehmen, sinnvoll ist, muss kein Maßstab sein für die gesamte Wirtschaft. Im Gegenteil: Die meisten Erwerbstätigen arbeiten immer länger, zum Beispiel in der westdeutschen Metallindustrie. Es gilt seit vielen Jahren die tarifliche Arbeitszeit von 35 Stunden, tatsächlich arbeiten die Metaller aber im Schnitt fast 39 Stunden. Etwas grober ausgedrückt: Die kollektive Arbeitszeitverkürzung hat nicht mehr Arbeitsplätze sondern mehr Überstunden gebracht; bevor die Firmen einstellen, lassen sie lieber ihre Leute länger bleiben und zahlen Überstundenzuschläge.

Eine kollektive Arbeitszeitverkürzung rettet im Einzelfall Arbeitsplätze, in der gesamtwirtschaftlichen Perspektive des Herbstes 2003 spricht dagegen alles für eine Arbeitszeitverlängerung. Das belegt der Blick auf das Jahr 2004. Das wird ein Arbeitgeberjahr, denn fünf Feiertage fallen auf ein Wochenende. Umgekehrt müssen die Arbeitnehmer also fünf Tage mehr arbeiten als noch in diesem Jahr. Der volkswirtschaftliche Effekt durch den Kalender ist beachtlich. Allein wegen der Lage der Feiertage wird das Wachstum 2004 um 0,6 Prozent über dem Niveau von 2003 liegen. Mehr Arbeit schafft also mehr Wachstum, und Wachstum bringt Arbeitsplätze. Anders gesagt: Wenn länger gearbeitet wird, dann sinken die Arbeitskosten je Stunde. Der Faktor Arbeit wird billiger, dadurch wettbewerbsfähiger und stärker nachgefragt.

Nach diesem Prinzip funktionieren im Übrigen die Tausende betrieblicher Bündnisse für Arbeit hierzulande, mit denen die Firmen auf den Wettbewerbsdruck reagieren. Die Beschäftigten arbeiten länger für das gleiche Geld und sichern so ihren Arbeitsplatz. Das ist für alle Beteiligten – inklusive Staat – die beste Lösung. Das Einkommen bleibt unverändert, der Volkswirtschaft wird also keine Kaufkraft entzogen, und auch die Einnahmen von Finanzamt und Sozialkassen sinken nicht. Und die Unternehmen werden wettbewerbsfähiger. Arbeit oder Geld? Etwas länger arbeiten bei gleichem Einkommen lautet die Antwort.

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