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Politik: „Es wird neue Anschläge geben“

Die indonesische Regierung muss noch aktiver gegen Terroristen vorgehen, sagt der frühere Präsident Wahid. Die Verhaftung des Extremisten Bashir sei nur der Anfang

Wer ist Ihrer Meinung nach für den BaliAnschlag verantwortlich?

Wahrscheinlich hat eine indonesische, islamische Fundamentalistengruppe den Anschlag mit Unterstützung aus dem Ausland durchgeführt.

Das hieße, dass eine internationale Terrororganisation, möglicherweise Al Qaida, in Indonesien operiert.

Ja. Vor kurzem hat sich in Saudi-Arabien eine islamische Extremistengruppe namens „Laskar Dschihad“ aufgelöst. Zwei Tage später löste sich in Indonesien eine Gruppe mit dem gleichen Namen auf. Natürlich gibt es internationale Verbindungen. Die militanten Gruppen Indonesiens werden aus dem Mittleren Osten finanziert.

Der indonesische Fundamentalist Abu Bakar Bashir ist verhaftet. War das richtig?

Ja, er ist ein Terrorist. Bashir hat Beziehungen zu muslemischen Extremisten im In- und Ausland. Er wird finanziell aus dem Ausland unterstützt. Warum sollte man ihm Geld geben, wenn er kein Terrorist wäre?

Glauben Sie, dass Bashir für die Bali-Bomben verantwortlich ist?

Das ist schwer zu sagen. Es ist möglich, aber ich weiß es nicht.

Viele Länder warnen vor Reisen nach Indonesien. Rechnen Sie mit weiteren Anschlägen?

Oh ja. Wenn Regierung und Polizei nicht noch aktiver werden, werden wir neue Terroranschläge erleben. Die Polizei hat den Richtigen verhaftet. Aber das darf nur ein Anfang sein.

Viele Indonesier glauben, dass die USA die Bali-Bomben gelegt haben, um Druck auf Indonesien auszuüben, stärker gegen den Terrorismus zu kämpfen. Woher kommt die antiamerikanische Stimmung?

Niemand erkennt, dass die USA in manchen Bereichen unvernünftig, in anderen Bereichen dagegen richtig agieren. Alles, was aus Washington kommt, wird abgelehnt.

Vor dem Bali-Attentat fand der US-Vorwurf, die Regierung tue zu wenig gegen den Terrorismus, kaum Gehör. Hatte Washington Recht?

Ja. Aber viele verstehen nicht, dass in Indonesien nichts nur eine Frage des Willens ist. Präsidentin Megawati Sukarnoputri war und ist schwach. Sie kann nicht viel ausrichten.

Militante übten auch ungestraft Gewalt aus, als Sie Präsident waren.

Das stimmt. Ich wies die Chefs von Polizei und Militär an, gegen diese Gruppen vorzugehen. Meine Befehle wurden verweigert. Danach wurde ich aus dem Amt gedrängt.

Die Regierung hat zwei Terrordekrete erlassen, Verhaftete können sechs Monate ohne Anklage festgehalten werden. War das richtig?

Nein. Die alten Gesetze reichten aus, sie wurden nur nicht umgesetzt. Die neuen Dekrete verletzen Menschenrechte. Die Sicherheitskräfte holen sich die Macht zurück, die sie seit dem Sturz von General Suharto verloren hatten. Ich erwarte, dass sie die Terrordekrete auch gegen Gewerkschaftler missbrauchen werden.

Viele Indonesier glauben, dass die USA einen Krieg gegen den Islam führen. Wird Bashirs auf Druck der USA erfolgte Verhaftung diese Meinung verstärken?

Nein. Es gab keine Unruhe nach seiner Verhaftung, er hat kaum Unterstützer im Land. Die meisten Indonesier halten die Festnahme für richtig. Die Sorge vor Gewalt war unbegründet. Indonesien ist ein säkularer Staat. Fast alle Indonesier wollen, dass das so bleibt.

Das Gespräch führte Moritz Kleine-Brockhoff

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