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Mit allen Mitteln. Die Demonstranten wollen nächsten Woche Bangkok lahmlegen.

© dpa

Eskalation des Konflikts: „Thailand ist nah dran am Bürgerkrieg“

Der Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bangkok spricht mit dem Tagesspiegel über die Krise in Thailand, einen möglichen Putsch und potenzielle Gefahren für Touristen im Land.

Von Katrin Schulze

Herr Saxer, die Regierungsgegner in Thailand rufen für Montag wieder zu Massenprotesten auf. Diesmal wollen sie Bangkok komplett lahmlegen. Botschaften raten, sich mit Essensvorräten einzudecken. Ist die Lage wirklich so ernst?

Bis jetzt war dieser Konflikt Schach auf hohem Niveau. Ab Montag werden wir aber eine neue Eskalationsstufe erreichen. Bangkok lahmzulegen ist ein riesiges Wagnis, weil die Situation von den politischen Spielern nicht kontrollierbar ist. Keiner weiß, wozu das führen wird.

Was befürchten Sie?

Den Konflikt gibt es seit zehn Jahren, er kocht immer mal wieder hoch. Nun ist es so schlimm, dass sich Thailand auf ein Szenario zubewegt, in dem es schwieriger wird, das Schlimmste zu verhindern. So nah dran an einem Bürgerkrieg waren wir noch nie.

Wie konnten sich die Auseinandersetzungen derart hochschaukeln?

Es gibt nicht einen Konflikt, sondern eine Kombination aus mehreren Konflikten. Zunächst geht es um die Frage, wie die Machtbalance nach der anstehenden Thronfolge aussieht. Im Moment mobilisieren die alten Eliten dafür noch einmal alle und alles. Zudem hat sich die Auseinandersetzung zwischen der Bangkoker Mittelschicht, den Gelben, und der aufstrebenden Mittelschicht aus den Provinzen, den Rothemden, zugespitzt. Interessant ist, dass die Positionen der beiden Seiten nicht weit auseinanderliegen.

Inwiefern?

Die Roten sagen, wir wollen eine Regierung, die uns ernst nimmt und nicht als Bürger zweiter Klasse behandelt. Die Gelben fordern eine Regierung ohne Korruption und Vetternwirtschaft. Beide wollen also das System reformieren.

Warum gelingt es beiden dennoch nicht, sich anzunähern?

Weil sie sich in ihren Diskursen und Wertvorstellungen verhakt haben. Die Bangkoker fühlen sich bedroht von der roten Masse, die sie für blöd, ungebildet und käuflich hält. Die Landbevölkerung wiederum traut der städtischen Elite nicht, da sie die gewählte Regierung immer wieder versucht zu stürzen. Diesmal wollen die Demonstranten sogar das Wahlrecht abschaffen. Sie fordern: Schluss mit dem Parlamentarismus.

Die Roten sind die Guten und die Gelben die Bösen?

Ich sage immer, es ist Pest gegen Cholera. Richtig ist, dass die Regierung korrupt ist und die Verfassung teilweise aushöhlt. Dennoch verhält sich die Regierung prinzipiell verfassungskonform; die Demonstranten nicht. Für ihre Pläne, die Demokratie abzuschaffen, bringe ich keine Sympathie auf. Die rote Seite verhält sich konstruktiver, während die gelbe Seite ein bisschen Amok läuft.

Das klingt nicht so, als ob es derzeit einen Ausweg gibt. Sehen Sie denn gar keine Möglichkeit, das Schlimmste zu verhindern?

Bei den Hauptkontrahenten sehe ich keine Chance auf Annäherung. Nur zwei Szenarien sind derzeit vorstellbar: erstens das Verbot der Regierungspartei und ihr damit verbundener Rücktritt. Zweitens die Provokation von Gewalt. Der Konflikt gerät daraufhin außer Kontrolle, die Armee greift ein, indem sie Ruhe und Ordnung mit einem Putsch wiederherstellt.

Und dann?

Die Thais kennen sich aus mit Putschen, bisher gab es hier 18 erfolgreiche. Das Problem ist nur, dass der Putsch, der im Moment versucht wird, nicht so einfach über die Bühne gehen wird wie diejenigen zuvor. Im Falle eines Militärputsches haben die Rothemden geschworen, in Bangkok einzufallen.

Was ist mit den Neuwahlen, die Ministerpräsidentin Yingluck angekündigt hat?

Ich halte es für zunehmend unwahrscheinlich, dass es dazu kommt. Wahlen würden die Probleme sowieso nicht lösen, weil die Demokraten sie boykottieren und nicht anerkennen würden. Zwar hätte Yingluck neue Legitimität gewonnen, aber danach wäre es nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Runde der Auseinandersetzungen ansteht.

Können sich Touristen angesichts der Lage überhaupt noch sicher fühlen in Thailand?

Auf den Inseln sehe ich da keine Probleme. Schwierig ist es in der Stadt, denn die klassischen Touristenziele befinden sich ganz in der Nähe der Demonstrationszentren. In der nächsten Woche herrscht in Bangkok mit Sicherheit Chaos. Möglich ist auch, dass der Flughafen belagert wird. Wie es aussehen wird, wenn es tatsächlich zu Tumulten kommt, lässt sich allerdings überhaupt nicht voraussagen.

Marc Saxer (40) leitet das Büro der Friedrich- Ebert-Stiftung in Thailand seit 2010. Zuvor arbeitete er in Pakistan unter anderem für Transparency International.

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