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Eskalation des Nahost-Konflikts: Die Welt schaut auf die Krisenregion

Die Eskalation der Angriffe zwischen Israel und der Hamas alarmiert weltweit die Politik. Wer steht auf welcher Seite?

Die Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas beunruhigt die Menschen in aller Welt – und polarisiert zugleich die politischen Lager. Anders als noch bei dem Krieg vor vier Jahren sind die Positionen in der arabischen Welt heute differenzierter, seit der Arabische Frühling die alten Machtstrukturen aufgebrochen hat.

USA

Die wichtigste Maxime von US-Präsident Barack Obama heißt Eindämmung. Denn eine übergeordnete Strategie fehlt. Niemand im Weißen Haus weiß, wie man Israelis und Palästinenser an den Verhandlungstisch zurückbringen soll.

Israels Recht auf Selbstverteidigung ist in Amerika über alle Parteigrenzen hinweg unbestritten. Noch in der Nacht der ersten Raketenangriffe auf Gaza telefonierte Obama mit Israels Premier Netanjahu und Ägyptens Präsident Mursi. Beide fühlten sich anschließend unterstützt. Israel und Ägypten empfangen die meiste Militärhilfe aus den USA. Deshalb schaut man in Washington vor allem auf den Kurs Mursis. Geht der demokratisch gewählte Präsident wegen der anti-israelischen Stimmung in großen Teilen seines Volkes nun auf größere Distanz zu Israel? Kündigt er gar den relativ stabilen Kalten Frieden mit Israel auf?

Das Chaos unter Kontrolle halten und hinter den Kulissen auf die Akteure mäßigend einwirken: Zu mehr ist Washington derzeit nicht in der Lage. Allein um die syrischen Chemiewaffenbestände zu sichern, wäre der Einsatz von 75 000 Soldaten notwendig, teilte das Pentagon soeben dem Weißen Haus mit. Obama war angetreten, Amerikas Kriege zu beenden und es nicht in neue hineinziehen zu lassen. Der Nahe Osten nimmt auf solche Versprechen keine Rücksicht.

ÄGYPTEN

Auf Ägyptens Präsident Mohammed Mursi ruhen nun viele Hoffnungen. Ein Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Freitag, Ägypten müsse seinen Einfluss auf die Hamas nutzen, um mäßigend auf diese einzuwirken. Doch die Muslimbruderschaft, die nach dem Arabischen Frühling den Kurs der Außenpolitik bestimmt, steht ideologisch der Hamas-Bewegung und den Palästinensern nahe. Deshalb muss Mursi eine schwierige Gratwanderung unternehmen, um es sich gleichzeitig nicht mit den USA zu verderben. So vermied Ägyptens Regierungschef Kandil am Freitag bei seinem Besuch in Gaza-Stadt jegliche verbale Eskalation. Aus seiner Umgebung verlautete, Kairo wolle auf keinen Fall weiteres Öl ins Feuer gießen. „Niemand kann ein Interesse daran haben, diese Aggression weiter anzufachen. Gaza ist sowieso schon in einem sehr schlechten Zustand“, erklärte einer seiner Mitarbeiter. Einziges Ziel sei es, die Angriffe zu stoppen. Mursi hatte am Donnerstag das israelische Vorgehen als „unakzeptable Aggression“ bezeichnet, ohne allerdings das Hamas-Raketenfeuer zu erwähnen. Ägypten werde Gaza nicht im Stich lassen, legte er am Freitag noch einmal nach, während aus der Führung der Muslimbruderschaft wesentlich radikalere Töne kamen. Ihr Chef, Mohammed Badie, beschimpfte Israel als „Projekt des Teufels“.

In Kairo versammelten sich unterdessen einige tausend Menschen zum Protest auf dem Tahrir-Platz. „Israel ist unser Feind“, skandierte die Menge sowie „Mit unserem Blut und unseren Seelen, wir opfern alles für dich, Palästina“. Insgesamt hielten sich die anti-israelischen Kundgebungen jedoch in Grenzen. Neben der Muslimbruderschaft hatten dazu auch zahlreiche andere politische Gruppen aufgerufen.

Wie Iran, Syrien und die Türkei reagieren

IRAN

Auch in Teheran und 700 weiteren iranischen Städten wurde nach dem Freitagsgebet gegen die israelischen Angriffe auf Gaza demonstriert. „Die Rechte der Palästinenser zu verteidigen, ist unsere Würde; die Nation verlangt die Zerstörung von Israel“, zitierte die Tageszeitung „Hamshihri“ auf ihrer Webseite einen der Slogans, die neben den üblichen „Tod Amerika“ und „Tod Israel“ zu hören waren.

Israel ist der Erzfeind des Iran, und so verurteilte die politische Führung in Teheran die israelischen Militärschläge aufs Schärfste. Der Sprecher des Außenministeriums nannte sie „organisierten Terrorismus“. Außenminister Ali Akbar Salehi rief zu entschlossenen internationalen Aktionen auf, um den „angekündigten Massenmord“ an den Palästinensern zu verhindern. Als Vorsitzender der Organisation der Blockfreien Staaten hat der Iran diese dazu aufgefordert, ihre Beziehungen zu Israel abzubrechen. Kein Wort dagegen zur Hamas.

Der Einsatz der iranischen Fajr-5-Raketen, die bis nach Tel Aviv reichen, sei ein großer Erfolg für den Widerstand, stellte dafür der mit dem Iran verbündete Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah in Beirut fest.

SYRIEN

Die palästinensische Hamas-Bewegung unterhielt bis zum vergangenen Jahr gute Beziehungen zu Syrien. Die Exil-Führung der Hamas hatte ihren Hauptsitz in Damaskus. Sie wurde unterstützt vom Regime von Präsident Baschar al Assad. Seitdem sich die Hamas auf die Seite der Revolutionäre gestellt hat, zu denen auch die ihr ideologisch nahestehende syrische Muslimbruderschaft gehört, ist das Tischtuch zerschnitten. Ein Krieg zwischen Israel und den militanten Palästinensern im Gazastreifen könnte den von vielen Beobachtern erwarteten Sturz von Präsident Assad verzögern. Denn die Bemühungen der arabischen und westlichen Partner der syrischen Opposition würden sich eine Zeit lang auf die Lage in Israel und den Palästinensergebieten konzentrieren.

TÜRKEI

Die Türkei hat die israelischen Angriffe auf Gaza am Freitag verurteilt, sich zugleich aber bemüht, den Hauptpartner USA nicht allzu sehr zu verärgern. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte in Istanbul, er werde noch im Laufe des Tages mit US-Präsident Barack Obama über die Lage reden. Die Türkei steht nach den Worten Erdogans „an der Seite unserer Brüder in Gaza“. Auf einen Besuch in Gaza will Erdogan aber verzichten. Am heutigen Samstag wird er zu zweitägigen Gesprächen in Ägypten erwartet, die vom Thema Gaza dominiert werden dürften.

Der türkische Vize-Premier Bülent Arinc regte direkte Gespräche zwischen der Türkei und Israel an, doch Erdogan hält davon offenbar nichts. Auf die Frage, wie sich die Gefechte auf die türkisch-israelischen Beziehungen auswirken würden, antwortete der Ministerpräsident: „Von unseren Beziehungen ist doch eh nichts mehr übrig.“

Was Deutschland sagt

Ihre Verurteilung der Raketenangriffe auf Israel verband Bundeskanzlerin Angela Merkel nur mit einer indirekten Mahnung an die Regierung Netanjahu. Israel habe das Recht, seine Bevölkerung „in angemessener Weise“ zu schützen, erklärte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter. Zur Frage, ob das Selbstverteidigungsrecht auch einen Einsatz von israelischen Bodentruppen zulasse, wollte sich Streiter nicht äußern. Außenminister Guido Westerwelle, der ebenfalls ein Ende der Raketenangriffe anmahnte, nahm Israel stärker in die Pflicht: Es handle sich um eine „sehr gefährliche Zuspitzung“, daher müssten „alle Beteiligten“ sich bemühen, zivile Opfer zu vermeiden und die „Logik der Eskalation“ zu beenden. SPD-Fraktionsvize Gernot Erler warf sowohl den Israelis wie auch der Hamas Eskalationsstrategie vor. „Offenbar setzen beide Seiten auf Gewalt“, sagte er dem Tagesspiegel. Mit der Ermordung des Hamas-Militärführers und den Raketenangriffen auf Tel Aviv seien „ganz bewusst rote Linien überschritten“ worden. Es sei leider zur Zeit keine internationale Autorität in Sicht, die zu einer Deeskalation der Lage beitragen könne. US-Präsident Barack Obama sei durch sein belastetes Verhältnis zu Netanjahu nicht stark genug. „Insofern ruhen die letzten Hoffnungen auf UN-Generalsekretär Ban Ki Moon“, meinte Erler. (mit dpa)

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