zum Hauptinhalt

Estland: Sowjetisches Kriegerdenkmal wird verlegt

Nach zwei Krawallnächten wegen des Streits um ein sowjetisches Kriegerdenkmal hat die estnische Regierung am frühen Sonntagmorgen den Wiederaufbau des Mahnmals auf einem Soldatenfriedhof in der Hauptstadt Tallinn angekündigt.

Tallinn - Wie das Außenministerium mitteilte, sollen die Vorbereitungsarbeiten bereits am heutigen Sonntag beginnen. Die Ankündigung soll offensichtlich in Estland kursierende Gerüchte entkräften, nach denen das am Freitag abgebaute Monument bereits zerlegt oder die Bronzefigur des Sowjetsoldaten eingeschmolzen worden sei.

In Tallinn herrschte am späten Samstagabend angespannte Ruhe. Polizisten beherrschten das Stadtbild und nahmen mögliche Randalierer fest. Sie forderten Passanten zum Weitergehen auf, bevor sich eine größere Menschenmenge sammeln konnte. Gegen Mitternacht stiegen die Polizeibeamten wieder in ihre Mannschaftswagen.

Schwere Ausschreitungen

Bei schweren Ausschreitungen vornehmlich russischstämmiger Jugendlicher in den Nächten zum Freitag und zum Samstag war ein 19-Jähriger ums Leben gekommen. Etwa 200 Menschen wurden verletzt und etwa 1000 festgenommen. Außer in Tallinn gab es auch in den Städten Johvi und Kohtla-Jarve im Osten des Landes Ausschreitungen.

Vor der estnischen Botschaft in Moskau demonstrierten Anhänger einer kremltreuen Jugendorganisation. Auch in anderen russischen Städten kam es zu Protestkundgebungen gegen Estland.

Die russische Regierung hatte das Vorgehen der estnischen Sicherheitsbehörden scharf kritisiert. Die Polizei habe "übermäßig Gewalt angewendet" und dadurch Dutzende friedliche Demonstranten verletzt, erklärte das Außenministerium in Moskau. Die EU-Ratspräsidentin und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief beide Seiten zur Besonnenheit auf.

Russland weist Estland Schuld zu

Die Demontage des sowjetischen Kriegerdenkmals im Zentrum der estnischen Hauptstadt Tallinn hatte schon im Vorfeld für Streit zwischen Estland und Russland gesorgt. Nach russischer Ansicht stand es für den Sieg über den Faschismus, für die Esten war es Symbol einer jahrzehntelangen Fremdherrschaft.

Der Sprecher des russischen Außenministeriums, Michail Kamynin, erklärte, die estnische Führung trage allein die Verantwortung für die Eskalation der Gewalt. Russland erwarte von der Nato und der Europäischen Union eine Verurteilung der Geschehnisse im Mitgliedsland Estland.

Merkel vermittelt

Merkel telefonierte am Samstag sowohl mit dem estnischen Ministerpräsidenten Andrus Ansip als auch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dabei appellierte sie nach Angaben von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm an beide, jegliche Eskalation zu vermeiden. Da es sich bei den Maßnahmen um eine souveräne Entscheidung der estnischen Regierung handele, habe die Bundesregierung die Aufnahme direkter Kontakte zwischen Estland und Russland vorgeschlagen, insbesondere auf Ebene der beiden Parlamente.

Estland war 1940 wie die baltische Schwesterrepublik Lettland auf Grund des Hitler-Stalin-Paktes von der UdSSR annektiert worden. Auch Litauen wurde von Berlin der sowjetischen Einflusssphäre zugeschlagen. 1941 wurde Estland von der deutschen Wehrmacht besetzt, 1944 von der sowjetischen Armee zurückerobert. 1991 wurden die baltischen Staaten wieder unabhängig. Im Museum der Okkupation in Tallinn, das die Zeit von 1940 bis 1991 dokumentiert, heißt es heute, die sowjetische Besatzung sei schlimmer als die deutsche gewesen. Russischstämmige Esten machen rund 25 Prozent der etwa 1,35 Millionen Einwohner des baltischen Staates aus. (tso/dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false