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Politik: „Etwas Schreckliches ist mit mir passiert“ Der russische Politiker Rybkin sagt, er sei in Kiew entführt worden

Die Geschichte klingt wie aus einem Thriller. Sie steht in merkwürdigem Kontrast zu dem ernsten, besonnenen Mann, der sie erzählt.

Die Geschichte klingt wie aus einem Thriller. Sie steht in merkwürdigem Kontrast zu dem ernsten, besonnenen Mann, der sie erzählt. Der russische Präsidentschaftskandidat Iwan Rybkin machte am Freitag einen neuen Anlauf, sein fünftägiges Verschwinden zu erklären. Bisher hatte er nur dunkle Andeutungen darüber gemacht, warum er Hals über Kopf nach Kiew gefahren war und sich nicht einmal bei seiner Familie gemeldet hatte. Eine Entführung sei es gewesen, sagte er nun auf einer Pressekonferenz in London.

Er sei in dem Glauben nach Kiew gefahren, dort den Tschetschenenführer Aslan Maschadow zu Friedensgesprächen zu treffen. In einer Wohnung habe er bei Tee und belegten Broten auf Maschadow gewartet. „Plötzlich fühlte ich mich sehr schläfrig.“ Als er wieder aufwachte, befand er sich nach eigenen Angaben in einer anderen Wohnung. Vier Tage lang sei er bewusstlos gewesen. „Mir wurde klar, dass etwas Schreckliches mit mir passiert ist.“ Einer seiner Bewacher habe ihm gesagt, es handele sich um eine „Spezialoperation“ – eine Bezeichnung, wie sie in Russland oft für Aktionen von Geheimdiensten oder Sondereinheiten benutzt wird. Ihm sei ein „abstoßendes Video“ gezeigt worden, auf dem er zu sehen war. „Sie sagten mir, das sei ein Plan, mich zu kompromittieren und mich zu zwingen, kooperativ zu sein.“ Die Journalistin Anna Politkowskaja hatte bereits zuvor vor einem zweiten „Skuratowgate“ gewarnt und damit auf den Fall des Generalstaatsanwalts Skuratow angespielt. Der wollte 1999 Ermittlungen gegen Jelzin und dessen Clan einleiten – doch dann tauchte ein Video auf, das den Staatsanwalt mit Prostituierten zeigte. Wenig später trat er zurück.

Die Entführer sollen Rybkin auch befohlen haben, Familie oder Freunde anzurufen und von einem Urlaub in Kiew zu erzählen. Wer diese Männer waren, konnte er nicht sagen: „Ich weiß nicht, wer das getan hat. Aber ich weiß, wer davon profitiert.“

Wenige Tage vor seinem Verschwinden hatte der Oppositionspolitiker schwere Vorwürfe gegen Wladimir Putin erhoben. Er bezeichnete den Präsidenten als letzten Oligarchen und betonte, er habe Beweise für Putins Verbindungen zur Wirtschaft. Erst nachdem Rybkin Russland verlassen hatte, erzählte er die Entführungsgeschichte. Jetzt fürchtet er um sein Leben. Daher will er bis nach der Wahl am 14. März nicht nach Moskau zurückkehren – und den Wahlkampf vom Ausland aus führen. Rybkin wird von dem umstrittenen Milliardär Boris Beresowskij unterstützt, der in London lebt und als einer der schärfsten Gegner Putins gilt. In Russland waren die Meinungen schon vor den jüngsten Vorwürfen gespalten: Während die einen Rybkins düstere Andeutungen ernst nahmen, hielten andere das Ganze für eine PR-Kampagne.

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