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EU-Afrika-Gipfel: Afrika und Europa streiten über Handelsabkommen

Vor allem im Westen des Kontinents glauben die wenigsten Staaten, dass ihnen das Angebot aus Brüssel tatsächlich nützt.

Die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und 79 Staaten in Afrika, der Karibik und im Pazifik (AKP) über eine Reform der Cotonou-Abkommen sind in der Endrunde. Grund ist die Notwendigkeit, diese Abkommen bis zum 31. Dezember in Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zu bringen. Die Cotonou-Abkommen, benannt nach dem Regierungssitz von Benin, stellen seit vier Jahrzehnten den rechtlichen Rahmen für einen erleichterten Zugang von AKP-Exporten zum europäischen Markt dar.

Die EU will die Cotonou-Abkommen in Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) umwandeln. Das aber würde die AKP-Staaten verpflichtet, einen großen Teil ihrer Märkte für europäische Güter zu öffnen. Zum Ausgleich für die weitreichenden Liberalisierungsforderungen will die EU den AKP-Staaten anbieten, 20 Prozent des Handels durch Zölle und Quoten zu schützen. Dies würde es den AKP- Staaten ermöglichen, bestimmte Produkte und Sektoren, die als sensibel erachtet werden, von der Liberalisierung auszunehmen. Um die Partnerländer bei Marktanpassungskosten zu unterstützen, bietet die EU zudem eine Reihe von Finanzhilfen an. Außerdem plant die EU-Kommission die Schaffung von sechs großen regionalen Wirtschaftsräumen.

Eine Einigung mit den Ländern der Karibik und des Pazifikraums, die sich durch EU-Produkte auf dem heimischen Markt weniger bedroht sehen und auf den Absatz eigener Produkte in Europa hoffen können, scheint in greifbarer Nähe. Die Verhandlungen mit den afrikanischen Partnerländern, in ökonomischer, entwicklungspolitischer Hinsicht weitaus bedeutsamer, gestalten sich dagegen schwierig. Zwar hat die EU Ende November mit den Staaten des südlichen Afrika und mit fünf ostafrikanischen Staaten EPAs abgeschlossen. Die westafrikanischen Staaten jedoch, für die die EU oft die wichtigste Handelspartnerin ist, fürchten durch ihre Unterschrift unter die Partnerschaftsabkommen einen massiven Verlust von Zolleinnahmen, die einen entscheidenden Teil ihres Haushalts ausmachen. Hinzu kommt die Angst vor der Konkurrenz von, unter anderem, hoch subventionierten europäischen Agrarprodukten. Die am wenigsten entwickelten LCD-Länder signalisieren bereits, dass sie ihre Unterschrift verweigern wollen: Sie haben ohnehin freien Zugang zum gemeinsamen Markt der EU und haben deswegen wenig Interesse an einer neuen Wirtschaftspartnerschaft.

Generell wächst bei afrikanischen Landwirtschafts- und Industrieverbänden der Unmut über die Position und den Verhandlungsstil der EU-Kommission. Aboulaye Wade, der Präsident Senegals, nannte das EU-Angebot kürzlich unannehmbar und nannte die geplanten Partnerschaften eine „Zwangsjacke“.

Bundespräsident Horst Köhler hat die EU-Kommission beim Treffen der von ihm initiierten „Partnerschaft für Afrika“ gemahnt. Auch Nichtregierungsorganisationen warnen vor einer Politik des „Teile und herrsche“ auf Kosten einer Integration der AKP- Regionen. Handelsökonomen nennen das Angebot der EU darüber hinaus übereilt und aus wirtschaftstheoretischer Perspektive nur mangelhaft konzipiert. Es ist nämlich mehr als wahrscheinlich, dass die AKP-Regierungen unter dem Druck innerstaatlicher Produzenten gerade diejenigen Sektoren als sensibel bezeichnen und schützen, die unproduktiv sind. Gerade diese würden durch die höchsten Zollsätze geschützt.

Darüber hinaus ist zu bezweifeln, ob die Haushaltsprobleme, die den AKP-Staaten aus verringertem Zolleinnahmen entstehen werden, durch Instrumente der Entwicklungspolitik behoben werden können. Sowohl in der EU als auch in den afrikanischen Partnerländern werden daher Forderungen an die Kommission lauter, den Spielraum der WTO zu nutzen, um die momentane EU-Position zu überdenken und wirtschaftlich intelligentere Abkommen zu konzipieren.

Max Büge, Claire Delpeuch[Paris]

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