zum Hauptinhalt

Politik: EU-Balkangipfel: Zwischen Vorschusslorbeer und Skepsis

Jedes seiner Worte wird genau auf die Goldwaage gelegt werden. Kein Gesichtsausdruck wird unbemerkt bleiben, und jeder Händedruck wird genau analysiert werden.

Jedes seiner Worte wird genau auf die Goldwaage gelegt werden. Kein Gesichtsausdruck wird unbemerkt bleiben, und jeder Händedruck wird genau analysiert werden. Vojislav Kostunica absolviert am Zagreber Balkangipfel der Europäischen Union einen Auftritt auf glattem Parkett. Für die Nachbarn auf dem Balkan ist der Präsident im neuen Amt Vertreter des Landes, das die Hauptverantwortung für Krieg und Zerstörung in der Region trägt.

Auf dem internationalen Parkett hat es Vojislav Kostunica bisher einfacher gehabt. Überall hat er offene Türen angetroffen: Aufnahme in die Vereinten Nationen (UN), Rückkehr in die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Ovationen bei einem Auftritt vor dem Europarat - und das alles innerhalb kürzester Zeit. Auch Weltbank und Währungsfonds drängen schon fast, das vor bald zehn Jahren verstoßene Mitglied Jugoslawien wieder aufzunehmen. Vojislav Kostunica wird auf internationalem Parkett mit Vorschusslorbeeren eingedeckt..

Nur wenige Spielverderber verweigern sich dem neuen Kanon: In Serbien sei bisher "kein einziger Schritt weg von der Politik von Milosevic" getan worden, mahnt Sonja Biserko vom Belgrader Helsinki Komitee: "Gestern hatten wir eine Mischung aus Kommunismus und Nationalismus, und heute haben wir nur noch den Nationalismus." Mit der zugespitzten Kritik spricht die Menschenrechtsaktivistin auch auf einen Konflikt an, der innerhalb von Serbiens Demokratischer Opposition (DOS) zunehmend die Harmonie stört. Die Kritiker innerhalb von DOS werfen Kostunica vor, ein Bremser zu sein. Es geht vor allem um die Weigerung des Präsidenten, die Führung von Armee und Polizei zu feuern. Rade Markovic, Chef der Staatssicherheit, wird beschuldigt, einen Teil der politischen Morde der letzten Jahre beaufsichtigt zu haben. Generalstabschef Nebojsa Pavkovic war während des Krieges Kommandant der Truppen im Kosovo. Vojislav Kostunica hat sich schützend vor die zwei Männer, Symbole des alten Regimes, gestellt. Ein überstürzter Wechsel könnte zu Instabilität führen, so sein Argument.

Diese Kontinuität ist den Nachbarn ein Dorn im Auge. Jugoslawiens Präsident sei von den Männern abhängig, welche Milosevic an der Macht gehalten hätten, sagt etwa Veton Surroi, gewichtige Stimme der Kosovo-Albaner. Auch Bernard Kouchner, Chef der Protektoratsbehörde, warnt vor überstürzter Eile im Umgang mit Kostunica. Zuviel Lorbeeren könnten nicht nur im Kosovo gefährliche Gegenreaktionen provozieren. Welche Zeichen hat Jugoslawiens neuer Präsident gesetzt, um Vertrauen zu schaffen und Brücken zu bauen? In der heiklen Kosovo-Frage pocht er vor allem auf die umstrittene Rückkehr eines Kontingents serbischer Polizisten ins UN-Protektorat. Die meisten der von den serbischen Einheiten im vergangenen Jahr verschleppten Kosovo-Albaner warten hingegen in ihren Gefängnissen noch immer auf Amnestie. Die Verhaftung und Auslieferung von Slobodan Milosevic an das Haager Kriegsverbrecher-Tribunal habe keine Priorität, lautet einer der Standardsätze von Kostunica. "Ich bin bereit, die Schuld für alle diese Leute zu übernehmen, die getötet worden sind", sagte Kostunica zwar in einem Interview mit dem US-Sender CBS auf die Frage nach der Verantwortung von Armee und Polizei für Kriegsverbrechen im Kosovo. Das Kabinett des Präsidenten warf dem Sender jedoch in einer Protestnote nach Ausstrahlung vor, die Aussage aus dem Zusammenhang gerissen zu haben.

Ein erster Auftritt auf bosnischem Territorium sorgte für Missstimmung in Sarajevo. Kostunica reiste zu einem "Privatbesuch" zu den Hardlinern in der Republika Srpska. Die Vertreter der internationalen Gemeinschaft sorgten in letzter Minute für einen Zusatztermin mit dem bosnischen Präsidium in Sarajevo, um dem Politneuling ein PR-Desaster zu ersparen. Auch in Serbiens Schwesterrepublik Montenegro ist man auf Kostunica schlecht zu sprechen. Er zeige im Ausland ein "demokratisches Gesicht" und diskreditiere bei der Gelegenheit gerne Montenegros Präsidenten Milo Djukanovic, weiß die Nachrichtenagentur Montena-Fax. Montenegros Präsident werde sich am EU-Gipfel nicht mit einem Platz hinter Kostunica zufrieden geben, heißt es aus Podgorica. Vojislav Kostunica müsse am Gipfel in Zagreb klare Worte zur Vergangenheit finden.

Zur Startseite