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Der EU-Beitritt der Türkei wird erneut verhandelt.

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EU-Beitritt: Außenminister wollen wieder mit Türkei verhandeln

Die EU-Außenminister haben die Eröffnung eines weiteren Kapitels in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beschlossen. Weil der türkische Premierminister Erdogan friedliche Proteste brutal niederschlagen ließ, drohten die Verhandlungen zu scheitern – nun gibt es einen Kompromiss.

„Es ist eine sehr gute Entscheidung in einer schwierigen Lage“, so bewertet der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) den Kompromiss, den er selbst vorgeschlagen hat. Erstmals seit drei Jahren wird in den Verhandlungen mit der Türkei ein weiteres Kapitel eröffnet. Darauf einigten sich die EU-Außenminister am Dienstagmorgen in Luxemburg. Die irische Ratspräsidentschaft hatte die Eröffnung des Kapitels „Regionalpolitik“ bereits seit Monaten für Ende Juni geplant, doch dann begannen die Proteste in der Türkei. Premier Recep Tayyip Erdogan ging brutal gegen die Demonstranten vor und die Gespräche auf EU-Ebene drohten zu kippen. Vergangene Woche fand man unter den EU-Botschaftern keine Einigung. Österreich sprach sich offen gegen weitere Gespräche aus, die Niederlande zweifelten und auch von deutscher Seite hieß es, die Eröffnung eines weiteren Kapitels sei „wohl eher nicht möglich“ - obwohl sich Westerwelle in der Vergangenheit mehrfach für weitere Verhandlungen mit der Türkei ausgesprochen hatte.

Doch ganz fallen lassen wollte man die Gespräche mit der Türkei dann doch nicht, auch aus Angst, den Einfluss auf die Regierung Erdogans zu verlieren. Westerwelle sprach davon, man müsse trotz der Probleme der vergangenen Wochen, die „langfristigen, strategischen Interessen“ der EU berücksichtigen. Auch wenn man nicht leugnen könne, dass es „Spannung zwischen der türkischen Seite und uns“ gegeben habe. In Telefonaten mit der Türkei bis tief in die Nacht und in Gesprächen mit den anderen EU-Mitgliedstaaten erarbeitete die deutsche Delegation einen Kompromissvorschlag: Das Kapitel „Regionalpolitik“ (Kapitel Nummer 22) soll eröffnet werden, aber erst dann, wenn der nächste Fortschrittsbericht der EU-Kommission vorliegt. Mit den Ergebnissen des Berichts wird im Herbst gerechnet. Westerwelle betonte, dass die Einigung auch mit der Türkei abgestimmt sei. Man sei „erleichtert“ über das Ergebnis, hieß es seitens der irischen Ratspräsidentschaft. „Der EU-Beitritt ist das effektivste Werkzeug, das wir haben, um Reformen in der Türkei zu beeinflussen“, sagte der irische Außemnminister Eamon Gilmore am Dienstag.

Die Europäische Kommission hatte sich bereits vergangene Woche für weitere Verhandlungen trotz oder sogar wegen der Proteste mit der Türkei ausgesprochen, ebenso das europäische Parlament. Der Weg zum Beitritt für die Türkei ist noch lang. 35 Kapitel zählt das Beitrittsverfahren, 13 davon sind bisher eröffnet und erst eins abgeschlossen. Es ist das Kapitel über Wissenschaft und Forschung. Angesichts der türkischen Proteste forderten viele EU-Parlamentarier, nun auch über Themen zu verhandeln, die in der Türkei wirklich problematisch seien. „Die Mitgliedstaaten können die türkische Zivilgesellschaft stärken, wenn sie jetzt offensiv in die Gespräche gehen und schnell auch die Kapitel zur Justizreform und zu Grundrechten zu öffnen“, kommentierte Ska Keller, Türkei-Expertin der Grünen-Fraktion im EU-Parlament, das Ergebnis der Gespräche in Luxemburg. „Darin geht es genau um die Reformen, die auch die Protestierenden von der Erdogan-Regierung fordern.“ Von deutschen EU-Diplomaten hieß es, diesen politischen Wunsch teile auch der deutsche Außenminister. Doch nun sei vorerst der Beschluss zur Regionalpolitik getroffen worden.

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