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Flüchtlinge an der kroatisch-slowenischen Grenze.

© AFP

EU berät über Flüchtlinge: Widerstand der Balkanstaaten ist programmiert

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker will beim Krisentreffen am Sonntag zu einem geordneten Verfahren in der Flüchtlingskrise kommen – die Balkanstaaten sind noch nicht überzeugt.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker wird an diesem Sonntag auf Widerstand treffen. Bei dem Treffen zur Lösung der Flüchtlingskrise entlang der Balkanstrecke bis nach Österreich und Deutschland wollen einige Teilnehmer dem 16-Punkte-Plan des Luxemburgers offenbar nicht ohne Weiteres zustimmen. Juncker dürfte zwar von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und wohl auch dem österreichischen Kanzler Werner Faymann unterstützt werden.

Doch wie weit sich die Regierungschefs von Bulgarien, Kroatien, Griechenland, Ungarn, Rumänien und Slowenien sowie der Nicht-EU-Staaten Mazedonien und Serbien auf das Ansinnen einlassen, wieder mehr Ordnung in die Flüchtlingswanderung zu bringen und damit auch Deutschland entlasten – das ist ungewiss.

Bulgarien, Serbien und Rumänien jedenfalls kündigten ihrerseits eine Schließung ihrer Grenzen für Flüchtlinge an, falls Deutschland und Österreich dazu übergehen würden. Sie würden nicht zulassen, dass sich die drei Balkanstaaten zu Pufferzonen für Flüchtlinge entwickelten, sagte Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borisow am Samstag nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus Serbien und Rumänien in Sofia.

Von heute an hätten die drei Regierungen eine gemeinsame Strategie, „damit ihre Stimmen besser gehört werden“, sagte Rumäniens Ministerpräsident Victor Ponta. Sie wollten „solidarisch mit Europa sein und Solidarität von den europäischen Staaten verlangen“, forderte Serbiens Regierungschef Aleksandar Vucic. Bulgarien und Rumänien sind bisher weniger von der Flüchtlingsbewegung betroffen und fürchten, stärker in deren Bewältigung einbezogen zu werden.

"Auf menschliche Weise"

Juncker kritisiert das bisherige Vorgehen entlang der aktuellen Fluchtroute deutlich: „Flüchtlinge müssen auf dem gesamten westlichen Balkan auf menschliche Weise behandelt werden, um eine humanitäre Katastrophe in Europa zu verhindern.“ An dem Treffen in Brüssel nimmt neben EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz auch der UN-Flüchtlingshochkommissar Antonio Guterres teil.

Bislang werden Flüchtlinge auf ihrem Weg von Griechenland nach Deutschland von den Balkanstaaten und auch Österreich weitgehend durchgeleitet. Das will Juncker mit seinem Plan wieder zurückdrehen. „Eine Politik des Durchwinkens von Flüchtlingen zu einem Nachbarland ist nicht akzeptabel“, heißt es in dem Papier.

Die betroffenen Länder sollten „davon Abstand nehmen, die Flüchtlingsbewegung zur Grenze eines anderen Landes der Region ohne das Einverständnis dieses Landes zu ermöglichen“. Will heißen: Der EU-Kommissionspräsident möchte eine engere Abstimmung zwischen den Regierungen statt dem seit Wochen praktizierten Sankt-Florian-Prinzip. Die Folgen dieser Politik haben sich von Ungarn über Kroatien mittlerweile vor allem auf Slowenien verlagert, dessen Regierung auf das Sondertreffen gedrungen hat.

Juncker will zunächst einen besseren Informationsaustausch zwischen den betroffenen Staaten erreichen. „Die Staatschefs werden ab sofort Informationen über die Größenordnung der Flüchtlingsströme durch ihre Länder austauschen“, heißt es in seinem Papier. Daher sollen zügig Kontaktpersonen in den Regierungszentralen benannt werden, welche als direkte Ansprechpartner für die Nachbarländer fungieren.

Balkanländer sollen mehr aufnehmen

Schließlich sollen die Länder entlang der Balkanroute selbst mehr Flüchtlinge versorgen und unterbringen. „Die Staatschefs verpflichten sich, die Fähigkeit ihrer Länder zu erhöhen, um denen in Not vorübergehend Unterkunft, Nahrung, Gesundheitsfürsorge, Wasser und sanitäre Einrichtungen zur Verfügung zu stellen“, heißt es. Sollten sie dazu nicht in der Lage sein, stimmen sie zu, den EU-Zivilschutzmechanismus auszulösen, in dem die Zusammenarbeit der EU-Staaten im Katastrophenfall geregelt ist. Gerade hier aber dürfte der Widerstand am größten werden.

Kroatiens Regierungschef Zoran Milanovic sagte mit Blick auf die Vorstellungen aus Brüssel bereits, wer das geschrieben habe, „versteht die Lage überhaupt nicht“. Er werde für Kroatien keinerlei Verpflichtungen eingehen. Er forderte, die EU-Außengrenze in Griechenland müsse besser gesichert werden. „Wir sollten ein, zwei Schiffe in griechische Gewässer schicken, und andere können hier noch mehr tun als wir“, schlug er vor.

Derweil ist die Lage an der slowenisch-österreichischen Grenze weiter dramatisch. Allein über das kleine Grenzdorf Rigonce im Osten Sloweniens seien innerhalb von nur zwei Tagen rund 13000 Menschen eingereist, meldete die slowenische Nachrichtenagentur STA. Im österreichischen Spielfeld übernachteten 3000 Flüchtlinge in einem provisorischen Lager. Bürgermeister Reinhold Höflechner sagte im ORF, angesichts Tausender Flüchtlinge auf den Straßen und starkem Polizei- und Armeeaufgebot sei die Bevölkerung „äußerst beunruhigt“. „Wir leben im Ausnahmezustand“, die Bürger hätten Angst „vor dieser großen Menge an fremden Menschen“. (mit dpa/rtr)

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