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In einigen EU-Staaten sind mehr als die Hälfte der jungen Leute arbeitslos. Ihnen soll eigentlich mit einer Jugendgarantie geholfen werden. Aber bisher ist daraus kaum Geld geflossen.

© dpa

EU-Beschäftigungsgipfel am Mittwoch: Europas Mühen mit der Jugendarbeitslosigkeit

Die Fördertöpfe sind voll, doch bislang kaum genutzt. Europas Großprojekt zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit läuft nur schleppend an. Am Mittwoch soll ein Beschäftigungsgipfel Lösungen bringen. Ein Überblick über die Situation in Europa.

Wenn die europäischen Staats- und Regierungschefs sich am 8. Oktober in Mailand zum EU-Beschäftigungsgipfel zusammenfinden, steht ein Thema ganz oben: die grassierende Jugendarbeitslosigkeit. Rund fünf Millionen junge Menschen unter 25 waren im August dieses Jahres in Europa arbeitslos, das entspricht 21,6 Prozent. Um dagegen etwas zu unternehmen, hat der Europäische Rat im April 2013 eine Empfehlung zur Einführung der Jugendgarantie ausgesprochen. Diese soll erreichen, dass alle Betroffenen binnen vier Monaten eine Arbeitsstelle, eine Weiterbildungsmöglichkeit oder ein Praktikum von „hoher Qualität“ angeboten bekommen. Für das Projekt stellt die EU Geld in Milliardenhöhe bereit: Rund zehn Milliarden Euro sollen bis 2020 jährlich aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) fließen, weitere sechs Milliarden Euro kommen von der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen (Youth Employment Initiative, YEI). Letztere dient der gezielten Unterstützung von Regionen, die besonders stark von der Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind. Allein – Geld ist bislang kaum geflossen.

Von den für die Förderung durch YEI notwendigen umsetzbaren Programmen wurden bisher nur die aus Frankreich und Italien genehmigt. So erhält Frankreich 620 Millionen Euro aus den Fördertöpfen, Italien sogar 1,1 Milliarden Euro. Andere stark betroffene Staaten wie Griechenland (Jugendarbeitslosenquote 53,1 Prozent), Spanien (53,8 Prozent) und Portugal (35,5 Prozent) erhalten aus der Initiative noch kein Geld, was innerhalb der EU auf Kritik stößt. So äußerte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Juni: „Wir müssen schneller sein, wir müssen effizienter sein, wir müssen effektiver sein. Ich zeige mit dem Finger auf niemandem, aber das kann kein Mensch verstehen. Es muss möglich für uns sein, das Geld auszugeben.“ Auf Nachfrage bei der EU-Kommission, ob die einzureichenden Programme zu kompliziert geschrieben seien, wie von Jörg Asmussen, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, im Juni angedeutet, gab es keine Antwort. Bezüglich der aktuellen Entwicklungen erklärt die Kommission schwammig, die "Vorbereitungen zur Einreichung der operationellen Programme" aus den anderen Mitgliedsstaaten seien „in vollem Gange“.

Was ist darunter zu verstehen? Gegenüber dem Tagesspiegel sagte eine Sprecherin des griechischen Arbeitsministeriums, die Umsetzung der Jugendgarantie genieße eine priorisierte Stellung auf der politischen Agenda. „Der Arbeitsmarkt im Ganzen und insbesondere der für Jugendliche wurde von der Rezession der vergangenen Jahre stark getroffen. Wir, das Ministerium und die gesamte Regierung, betrachten es als nationale Verpflichtung, die Arbeitsmarktfähigkeit junger Menschen zu sichern und ihr Vertrauen in die öffentlichen Institutionen wiederherzustellen.“ Dass Griechenland bislang noch kein Geld aus der Beschäftigungsinitiative erhält, sei eine formelle Sache. Während die Franzosen und Italiener sich für ein separates operationelles Programm entschieden und so den Prozess beschleunigt hätten, habe Griechenland ihr Programm für die Jugendgarantie in das für den ESF integriert. Dieses liege der Kommission seit 17. Juli vor. Dass der Geldhahn auch für die Griechen geöffnet wird, ist offenbar also nur eine Frage der Zeit. 171,5 zusätzliche Millionen könnte die Regierung in Athen durch Zuschüsse der YEI erhalten.

Pilotprojekte in sieben Staaten

Während die Finanzierung noch stockt, haben inzwischen alle 28 EU-Staaten nationale Umsetzungspläne für die Jugendgarantie vorgelegt. Auch laufen bereits 18 Pilotprojekte, die zeigen sollen, wie die Jugendgarantie in der Praxis umgesetzt werden kann. In sieben Staaten, unter anderem in Italien, Großbritannien und Rumänien, werden die Modellprojekte zurzeit implementiert. Gleich sechs der 18 Programme kommen aus Spanien, wo mehr als jeder Zweite junge Mensch keine Arbeit findet. Der Aufruf zur Einreichung von Projektvorschlägen startete bereits im August 2012; insgesamt 114 Vorschläge aus 19 Ländern wurden eingesendet. Auch von Griechenland gab es in der Bewerbungsphase eine Einsendung, die allerdings vor der Einreichungsfrist wieder zurückgezogen wurde – die Gründe hierfür sind nicht bekannt.
Die nun seit knapp einem Jahr laufenden Projekte sind in zwei Gruppen unterteilt. So werden einerseits Jugendliche angesprochen, die kurz vor dem Schulabschluss oder dem Ende einer Ausbildung stehen, um sie beim Übergang in den Beruf oder Hochschulbildung zu unterstützen. Andererseits richten sich die Programme an Jugendliche, die weder eine Ausbildung, noch einen Job haben, so genannte „Neets“ (aus dem Englischen „Not in education, employment or training“). Durch enge Beratung und Workshops soll ihnen der Weg in ein Anstellungsverhältnis erleichtert werden. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Stärkung der Verbindung zwischen Schulen und lokalen Arbeitgebern.

Ob die von der Jugendgarantie finanzierten Projekte tatsächlich ein wirksames Instrument zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sind, ist unter Experten umstritten. Hans Dietrich, Forscher am Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) beschreibt die Jugendgarantie in jedem Fall als positives Signal: „Natürlich kann eine Jugendgarantie nur begrenzt Arbeitsplätze schaffen, zum Beispiel indem die Staaten öffentliche Aufträge vergeben, die durch die Garantie finanziert sind. Der treibende Faktor bleibt aber das Wirtschaftswachstum - erst das schafft Arbeitsplätze für junge Menschen", sagte er dem Tagesspiegel. "Es mangelt in den mediterranen Staaten nicht am Angebot an qualifizierten Arbeitskräften, sondern an der Nachfrage aus der Wirtschaft. Nichtsdestotrotz kann die Jugendgarantie dafür sorgen, dass junge Menschen arbeitsmarktfähig bleiben und noch wichtiger: Sie sorgt dafür, dass das Problem der Jugendarbeitslosigkeit in Europa endlich wahrnehmbar adressiert wird.“

Jan Wasserziehr

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