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EU-Debatte: Ein neues rot-grünes Projekt

Über Migration und Europa wollten der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, die Berliner Theaterproduzentin Shermin Langhoff und der Soziologe Ulrich Beck diskutieren. Dann sprachen sie über nicht weniger als europäische und rot-grüne Visionen.

Europa brauche wieder eine politische Dimension, die die Leute interessiere, sagte am Donnerstagabend in Berlin der grüne Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit. Er schlug europaweite Volksabstimmungen vor: über einen möglichen Atomausstieg, über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und grundsätzlich auch über europäische Verfassungsfragen. Zustimmung fand Cohn-Bendit bei dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Europa brauche Abstimmungen, damit alle Bürger gemeinsam über eine Frage streiten könnten, sagte er.

In manchem zeigte der Grüne Cohn-Bendit sich selbstkritisch: Auch zu Zeiten des Bundeskanzlers Gerhards Schröder, als die Mehrheit der EU-Länder von linken Mehrheiten regiert wurden, sei im europäischen Haushalt gekürzt worden. Das müsse sich ändern. "Den Menschen zu erklären, dass Europa ihnen Sicherheit und Wohlstand bringt: Das wird das neue rot-grüne Projekt", sagte Cohn-Bendit.

Auf das Podium geladen waren außerdem die Berliner Theaterproduzentin Shermin Langhoff und der Soziologe Ulrich Beck. Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff moderierte den Abend im Allianz Forum am Pariser Platz. Es sollte um deutsche und europäische Einwanderungspolitik gehen - aber debattiert wurde auch die große Frage, wie Bürger wieder für Europa begeistert werden könnten.

Bei Europawahlen sollten die Parteien ihre Kandidatenlisten über Ländergrenzen hinweg aufstellen, und die Unionsbürger sollten europäische Spitzenpolitiker direkt wählen, schlug Daniel Cohn-Bendit vor. Sigmar Gabriel sagte, abstrakte Begründungen für das Projekt EU erreichten nur wenige. Es müsse auch über den konkreten Profit für den einzelnen gesprochen werden.

Gegen diesen Begriff argumentierte Shermin Langhoff, gerade in Zusammenhang mit dem eigentlichen Thema des Abends, der Migrationspolitik. Was, wenn Migranten einmal nicht mehr wirtschaftlichen Nutzen brächten? Sie dann aus Deutschland abzuschieben, könne niemand wollen. Sie plädierte außerdem für das Konzept eines Intercultural Mainstreaming. Nach dem Vorbild des Gender Mainstreaming solle so für gleiche Chancen für Menschen anderer Herkunft gesorgt werden.

Sigmar Gabriel versprach, die SPD wolle auf kommunaler Ebene ein Wahlrecht für Migranten einführen, sobald sie wieder regiere. Seine Idee einer Migrantenquote für SPD-Gremien bezeichnete er als gelungene Provokation seiner Partei. Die SPD habe immer ein patriarchalisches Verhältnis gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund gepflegt, damit müsse es vorbei sein. Im übrigen dürfe der nächste Minister mit Migrationshintergrund nicht für Integration zuständig sein - sondern zum Beispiel für Justiz oder Wirtschaft.

Der Soziologe Ulrich Beck forderte nicht weniger als eine Neugründung des europäischen Projekts. Das Wunder, Feinde zu Nachbarn zu machen, sei verwirklicht und deshalb nicht mehr Legitimation genug für die Europäische Union von heute.

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