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Günther Oettinger ist seit Febraur 2010 EU-Kommissar für Energie.

© dpa

EU-Energiekommissar Günther Oettinger: "Sicherheit ist nicht verhandelbar"

EU-Energiekommissar Oettinger spricht mit dem Tagesspiegel über Lehren aus der Umweltkatastrophe in USA und das Vertrauen in die Ölbohrungen.

Herr Oettinger, BP hat einen neuen Anlauf unternommen, um das Auslaufen des Öls im Golf von Mexiko zu stoppen. Kann man ausschließen, dass sich eine solche Umweltkatastrophe auch in europäischen Gewässern abspielt?

Man kann bei komplexen technischen Vorgängen, die auch noch von Menschen gesteuert werden, natürlich keine Garantien aussprechen. Man kann nur mit Sicherheitstechnik und umfassenden Vorschriften das Risiko weitestgehend minimieren. Und daran arbeiten wir.

Was ist zu tun? Sie haben Mineralölindustrie und die nationalen Aufsichtsbehörden für Mittwoch nach Brüssel eingeladen.

Wir brauchen eine umfassende EU-Gesetzgebung, die die höchsten Sicherheits- und Umweltstandards auf Ölplattformen garantiert. Es gibt zwar schon EU-Richtlinien, unter die auch die Plattformen fallen. Die Frage ist aber, ob es da vielleicht Rechtslücken gibt und wir nicht besser eine Gesetzgebung speziell für Ölplattformen machen. Und in unseren Gesprächen mit den nationalen Aufsehern wollen wir darauf hinarbeiten, dass dieser höchstmögliche technisch machbare Sicherheitsstandard für alle Bohrtürme und Plattformen im Einflussgebiet der EU angewandt wird. Die beste Kontrolle und die bestmögliche Qualifikation der handelnden Mitarbeiter muss gesichert sein.

Was erwarten Sie konkret vom Treffen?

Ich erwarte, dass es eine hohe Geschlossenheit gibt und alle Beteiligten ihren Beitrag leisten und dass alle die Verpflichtung auf die höchsten Standards akzeptieren.

Setzen Sie auf Selbstverpflichtung oder neue Gesetze?

Wir brauchen beides. Wir brauchen ein hohes Maß an Selbstverantwortung der Industrie. Schon aus eigenem Interesse heraus, um künftig Schadenersatzzahlungen zu vermeiden. Zweitens muss ihr auch daran gelegen sein, das Vertrauen in die Ölbohrungen zu erhalten oder wiederzugewinnen. Aber Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Deswegen setzen wir auch auf strenge Rechtsnormen sowie deren strenge Kontrolle und Einhaltung. Ich will im September mit den nationalen Energieministern die Frage besprechen, ob es allein bei den nationalen Sicherheitsnormen bleiben soll oder ob wir eine europäische Agentur gründen sollen. Diese könnte die nationalen Kontrolleure überwachen und auch eine technische Ausstattung für den Notfall vorhalten.

Sie sehen also gewisse Lücken in der jetzigen Konstruktion?

Es geht erstens um die Nachrüstung älterer Bohrplattformen und zweitens um die Angleichung der Rechtsnormen auf dem höchsten Standard. Zum Dritten geht es aber auch um die Frage, ob wir im Notfall die Sicherheit haben, dass der Verantwortliche seiner Haftung für den möglichen Schaden auch nachkommen kann.

Dazu müssten Sie der Mineralölindustrie gezielt in die Bücher schauen dürfen. Oder wie stellen Sie sich das vor?

Es geht tatsächlich um die Bonität der Handelnden, die ja im Regelfall alle angesehene große Industriebetriebe sind. Aber man muss die Frage stellen, ob nicht eine Versicherungspflicht und der Nachweis einer entsprechend hohen Versicherung für einen möglichen Schadensausgleich sinnvoll ist. Es geht auch darum, ob eine verstärkte Rücklagenbildung in der Bilanz steuerrechtlich ausgeglichen werden darf. Und last but not least existiert auch die Idee eines Fonds, den man vorsorglich gründen könnte – für Schäden, die beim Öltransport per Schiff oder bei Bohrungen entstehen können.

Wie wollen Sie die mächtige Mineralölindustrie dazu bewegen?

Wir sind in sehr guten Gesprächen. Es ist schon genug Besonnenheit und Einsicht bei den führenden Köpfen der Energiewirtschaft im Bereich Öl vorhanden. Entscheidend wird sein, dass Europas Energieminister und die EU-Kommission geschlossen handeln. Dann wird das bei den Ölunternehmen auf die notwendige Zustimmung stoßen.

Es wird weiter und auch neu gebohrt. Kann man sich das zurzeit überhaupt leisten?

Mein Rat an die Mitgliedstaaten geht dahin, im Augenblick – solange die Schadensbehebung im Golf von Mexiko läuft, bis wir eine umfassende Auswertung der Schadengründe haben und ehe die Erörterung über unsere Standards nicht abgeschlossen ist – von der Erteilung neuer Genehmigungen Abstand zu nehmen. Sicherheit hat Vorrang und ist in keiner Form verhandelbar – auch nicht mit Argumenten der Wirtschaftlichkeit.

Das Gespräch führte Christopher Ziedler.

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