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Vorerst gerettet. Afrikanische Flüchtlinge an Bord eines Schiffes der maltesischen Marine.

© dpa

EU-Gipfel: Flüchtlings-Debatte droht im Streit über Zahlen zu versanden

Ende der Woche treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel. Nach der Katastrophe von Lampedusa steht die Flüchtlingspolitik der EU zwar auf der Tagesordnung - aber mehr als das übliche Schwarze-Peter-Spiel bei der Aufnahme der Schutzsuchenden ist nicht zu erwarten.

Auch nach der Flüchtlingskatastrophe von Lampedusa sind beim bevorstehenden EU-Gipfel am kommenden Donnerstag und Freitag keine bahnbrechenden Beschlüsse zu einer Neuordnung der europäischen Asylpolitik zu erwarten. Der Gipfel werde in der Flüchtlingsfrage ein eher bescheidenes Ergebnis verkünden, hieß es in EU-Kreisen in Brüssel.

Nach den jüngsten Flüchtlingsdramen, die zu Beginn des Monats an den Außengrenzen der EU mehr als 400 Todesopfer gefordert hatten, nahmen die EU-Staats- und Regierungschefs kurzfristig den Umgang mit Schutzsuchenden auf die Tagesordnung des Treffens am Ende der Woche in Brüssel. Vor allem Italiens Ministerpräsident Enrico Letta und Maltas Regierungschef Joseph Muscat hatten gefordert, dass der Gipfel die europäische Flüchtlingspolitik erörtern müsse. Gemeinsam mit den übrigen EU-Mittelmeeranrainern verlangen Italien und Malta schon seit langem, dass die Staaten im Norden der Gemeinschaft mehr Bootsflüchtlinge aufnehmen sollen, die über das Mittelmeer kommen.
Im Zentrum der Diskussion steht dabei das so genannte Dublin-II-Abkommen, das Bootsflüchtlinge verpflichtet, ihre Asylanträge in jenen EU-Staaten zu stellen, in denen sie europäischen Boden betreten – also in den südlichen EU-Mittelmeeranrainerstaaten. Diese Länder haben wiederholt die Staaten im Norden zur Solidarität bei der Aufnahme von Bootsflüchtlingen aufgefordert – allerdings ohne Erfolg. Auch bei einem Treffen der EU-Innenminister zu Beginn des Monats erklärte der deutsche Ressortchef Hans-Peter Friedrich (CSU), dass an dem Dublin-II-Abkommen nicht gerüttelt werde.

Nach Angaben aus EU-Kreisen dürften die Staats- und Regierungschef beim kommenden EU-Treffen ihre Trauer nach der Flüchtlingskatastrophe von Lampedusa zum Ausdruck bringen, und auch der Ruf nach mehr Solidarität aus dem Süden Europas wird wohl wieder laut werden. Aber eine echte Grundsatzdiskussion über "Dublin II" sei schon deshalb nicht zu erwarten, weil die Vorbereitungszeit vor dem Gipfel dafür zu knapp gewesen sei.

EU-Staaten interpretieren Flüchtlingszahlen unterschiedlich

Erschwerend kommt hinzu, dass die 28 EU-Staaten die Flüchtlingszahlen höchst unterschiedlich interpretieren. Nach den Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat erkannten die damals 27 EU-Mitgliedstaaten im vergangenen Jahr insgesamt 102 700 Asylbewerber als schutzberechtigt an, nachdem es 2011 noch 84 300 gewesen waren. Im Jahr 2012 verzeichnete Deutschland laut Eurostat mit 22 200 die höchste Zahl von Personen, denen der Schutzstatus zugesprochen wurde, gefolgt von Schweden (15 300), Großbritannien (14 600) und Frankreich (14 300). Nimmt man aber die Bevölkerungsgröße in den einzelnen EU-Ländern zum Maßstab, ergibt sich ein anderes Bild: Im Vergleich zur Bevölkerung des jeweiligen Ziellandes wurden die höchsten Asylbewerberquoten in Malta (5000 Bewerber pro Millionen Einwohner), Schweden (4600), Luxemburg (3900), Belgien (2500) und Österreich (2100) verzeichnet und die niedrigsten Quoten in Portugal (30), Estland und Spanien (je 55) sowie der Tschechischen Republik (70). Angesichts des absehbaren Schwarze-Peter-Spiels beim EU-Gipfel forderte der Europareferent der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, Karl Kopp, die Staats- und Regierungschefs zum Handeln auf. „Man muss den Menschen einen gefahrenfreien Zugang nach Europa ermöglichen“, sagte er dem Tagesspiegel. Kopp verwies dabei insbesondere auf die schwierige Lage der Flüchtlinge aus Syrien, die an den Grenzen der Türkei und Griechenlands systematisch abgewiesen würden. Inzwischen suchen die Syrien-Flüchtlinge offenbar verstärkt auch den gefährlicheren Weg über Italien nach Europa: Nach Angaben des italienischen Innenministeriums bilden die Syrer inzwischen die stärkste Gruppe unter den Bootsflüchtlingen. Von den rund 25 000 Menschen, die in diesem Jahr bislang Italien lebendig auf dem Weg über das Mittelmeer erreichten, waren 9805 Syrer.

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