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Hart verhandelt. Bundeskanzlerin Angela Merkel fühlte sich nach dem EU-Gipfel am Donnerstag als Siegerin, im Hintergrund Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.

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Update

EU-Gipfel in Brüssel: Merkel erzielt Teilerfolg

Die EU beschloss in der Nacht zum Freitag einen dauerhaften Krisenmechanismus zum Schutz des Euro. Doch mit ihrer Forderung eines Stimmrechtsentzuges für Defizitsünder stößt Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Widerstand.

Die ernste Miene des luxemburgischen Premierministers Jean-Claude Juncker ließ erahnen, dass Angela Merkel und Nicolas Sarkozy beim EU-Gipfel in Brüssel kein leichtes Spiel haben würden. Wortlos betrat Juncker am Donnerstagmittag den Eingang des Schlosses Bouchout vor den Toren der belgischen Hauptstadt, wo die konservativen Staats- und Regierungschefs in der EU vor dem Gipfel ihre Linie absteckten. Doch ein Konsens zeichnete sich zunächst nicht ab – vor allem der Vorschlag der Kanzlerin und des französischen Präsidenten, notorischen Defizitsündern unter den Euro-Staaten mit einem Stimmrechtsentzug auf die Sprünge zu helfen, hatte Merkels und Sarkozys EU-Partner aufgebracht.

Juncker machte sich zum Auftakt des Gipfels zum Fürsprecher der kleineren und mittleren EU-Länder, bei denen der Widerstand gegen einen Stimmrechtsentzug am größten ist. Man müsse diesen Vorschlag beerdigen, forderte Juncker, der auch Vorsitzender der 16 Euro-Länder ist. Ein Bruch der Haushaltsregeln sei kein so schwerwiegender Verstoß gegen die Regeln des europäischen Miteinanders wie die Nichtachtung der Menschenrechte, begründete Juncker seine Ablehnung des deutsch-französischen Vorschlags. In den Augen des Luxemburgers kann nur eine solche Missachtung der Menschenrechte den Entzug des EU-Stimmrechts für einzelne Mitglieder der europäischen Familie rechtfertigen.

Die drei von der EU. Kommissionschef José Manuel Barroso, der scheidende Regierungschef Belgiens, Yves Leterme, und Ratschef Herman Van Rompuy (von links).
Die drei von der EU. Kommissionschef José Manuel Barroso, der scheidende Regierungschef Belgiens, Yves Leterme, und Ratschef Herman Van Rompuy (von links).

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Damit zeichnete sich bereits zu Beginn des zweitägigen Gipfels, bei dem Merkel und Sarkozy ihre europäischen Partner auf ihren vor knapp zwei Wochen im französischen Seebad Deauville gefundenen Kompromiss verpflichten wollen, ab: Das Sanktionsmittel des Stimmrechtsentzuges, mit dem eine Beinahe-Pleite wie im Fall Griechenlands künftig verhindert werden soll, findet keine Mehrheit im Kreis der 27 Staats- und Regierungschefs der EU. Als „wenig realistisch“ bezeichnete der polnische Ministerpräsident Donald Tusk die Forderung aus Berlin und Paris. Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hielt den Vorschlag für „absolut inakzeptabel“.

Die geballte Kritik an dem Vorstoß Merkels und Sarkozys minderte aber nicht die Entschlossenheit der Kanzlerin. „Wir haben im Lissabonner Vertrag – das gerät manchmal ein wenig außer Blick – bereits die Möglichkeit des Stimmrechtsentzuges, wenn grundlegende Werte der Europäischen Union verletzt werden“, sagte die Kanzlerin. Sie werde sich beim Gipfel dafür einsetzen, dass das „sehr kontroverse Thema“ des Stimmrechtsentzuges auf der Tagesordnung bleibe, gab sich die Kanzlerin kämpferisch.

Trotz dieser Beteuerung schien Merkel in Brüssel aber vor allem daran gelegen, die EU-Partner auf zwei andere Punkte zu verpflichten, mit deren Hilfe der Euro stabilisiert werden soll: schnellere und härtere Sanktionen gegen Defizitsünder sowie die Einrichtung eines dauerhaften Krisenmechanismus, auf den vor der Vereinbarung von Deauville vor allem die Kanzlerin gedrungen hatte. In der Nacht zum Freitag einigte sich der Gipfel darauf, den Bericht des belgischen EU-Ratschefs Herman Van Rompuy anzunehmen, der eine mäßige Verschärfung des Stabilitätspaktes vorsieht. „Der Weg für Vertragsänderungen ist geebnet“, sagte ein Diplomat am Freitag.

Unterstützung zeichnete sich auch für den Wunsch der Bundesregierung ab, einen dauerhaften Krisenmechanismus zu schaffen. Ihr geht es in diesem Punkt darum, den nur bis zum Jahr 2013 vorgesehenen Euro-Rettungsschirm, der im Mai quasi über Nacht ins Leben gerufen worden war, künftig fest im EU-Vertrag zu verankern. Dies soll unter anderem dazu dienen, einen künftigen Rettungsmechanismus auch aus verfassungsrechtlicher Sicht absolut wasserfest zu machen. Bislang werden Rettungsaktionen wie im Fall Griechenlands, bei denen EU-Länder füreinander haften, mit dem Artikel 122 des EU-Vertrages begründet. Allerdings sieht dieser Artikel nur Hilfen im Fall von „Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Ereignissen“ vor. Deshalb stellt sich die Bundesregierung eine Änderung des Vertrages – in Regierungskreisen ist von einer zweizeiligen Ergänzung die Rede – vor, die auch mögliche künftige Hilfen korrekt abbildet.

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