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EU-Gipfel: Merkel im Mittelpunkt

Auf dem EU-Gipfel will sich die Kanzlerin weder von Paris noch von London allzu sehr einnehmen lassen.

Brüssel - Die Szene hatte nur begrenzten Symbolcharakter: Als der EU-Gipfel am Donnerstagabend im Justus-Lipsius-Gebäude im Brüsseler Europaviertel begann, war es Jacques Chirac, der beherzt den Arm von Angela Merkel ergriff und ihr den Weg im Sitzungssaal weisen wollte. Die deutsche Kanzlerin im Schlepptau des französischen Präsidenten - für einen Augenblick bot sich dieses Bild. Doch es war eine trügerische Momentaufnahme.

Denn die Kanzlerin war bemüht, sich weder für die französische noch für die britische Position allzu sehr einnehmen zu lassen. Frankreich gegen Großbritannien: Der Brüsseler Gipfel, der am Freitag in den zweiten Tag ging, mutete wie ein Wiederholungsspiel der gescheiterten Finanzrunde vom Juni an. Es ging wieder einmal um Europas Geld, genauer gesagt: um das Geld, das den EU-Staaten gemeinsam in den Jahren von 2007 bis 2013 zur Verfügung stehen soll. Der Verteilungskampf und die Frage, wer wie viel geben soll und wer wie viel bekommt, konzentrierte sich am Freitag erneut auf zwei Punkte: Modifiziert London seinen Britenrabatt, der dem Land pro Jahr gegenwärtig einen Nachlass von rund fünf Milliarden Euro bei seinen Zahlungen in die EU-Kasse sichert? Und ist Paris bereit zu einer Neugestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik, von der vor allem Frankreich profitiert?

Wie beim gescheiterten Gipfel im Juni, als noch Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker die EU-Ratspräsidentschaft inne hatte, waren die Verhandlungen äußerst zäh. Immerhin verbreitete Juncker am Freitag Optimismus: "Ich bin einigermaßen zuversichtlich, dass wir das schaffen", sagte er. Am Vortag hatte er noch über den ursprünglichen Finanzvorschlag der Briten gelästert, der für die kommende EU-Finanzperiode rund 21 Milliarden Euro weniger vorsah als Junckers Zahlenwerk vom Juni - vor allem auf Kosten der neuen EU-Mitgliedstaaten. "Wenn es so einfach wäre, dann hätte ich es ja auch machen können", ätzte Juncker. Das Abendessen, bei dem Merkel erstmals bei einem Gipfel auftrat, brachte am Donnerstag zunächst keine wesentliche Annäherung in der heiklen Finanzfrage. Am Tag darauf folgten dann zahlreiche Einzelgespräche, bei denen die Staats- und Regierungschefs den Durchbruch suchten. Der britische EU-Ratspräsident Tony Blair nahm zunächst Merkel ins Gebet, dann sprach er mit Chirac, anschließend mit dem spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodriguez Zapatero. Gegen Mittag trafen sich dann Blair, Chirac und Merkel erneut - die heiße Verhandlungsphase hatte begonnen.

In deutschen Regierungskreisen hieß es, die Verhandlungen kämen "Stück für Stück in kleinen Schritten voran". Immerhin kamen von Chirac ein paar positive Signale. Der französische Präsident sei mit Blick auf eine Reform der EU-Agrarpolitik "bereit, eine Form der Überprüfung ins Auge zu fassen", sagte sein Sprecher. Frankreichs Staatschef will eine solche Überprüfung allerdings keinesfalls vor 2014 zulassen. Anders Blair: Dem britischen Premier kann es mit einer Reform der aus seiner Sicht ungeliebten Agrarpolitik nicht schnell genug gehen.

Im Gegenzug sah sich Blair weiter mit der Forderung der übrigen EU-Staaten konfrontiert, den Britenrabatt zu kürzen. Deutschland, Frankreich und Spanien legten ein entsprechendes Papier auf den Verhandlungstisch, sagte der spanische Europastaatssekretärs Alberto Navarro. In dem gemeinsamen Vorschlag ist auch von einer Revision der EU-Ausgaben die Rede - aber erst von 2014 an. (Von Albrecht Meier)

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