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Das Hauptquartier der NSA in Fort Meade. Überwachte der Geheimdienst die Telefonate von 35 Regierungschefs?

© dpa

Überwachungsskandal: NSA soll 35 Regierungschefs abgehört haben

Die Empörung über den US-Geheimdienst NSA ist auch auf dem EU-Gipfel groß. Eine deutsch-französische Initiative soll bis zum Ende des Jahres Licht in den Abhörskandal bringen. Doch offenbar war das Handy der Kanzlerin nur eines unter vielen abgehörten Geräten von Spitzenpolitikern.

Deutschland und Frankreich sollen mit den USA den Skandal um Spähaktionen des Geheimdienstes NSA klären. Es sei eine deutsch-französische Initiative, der sich andere Länder anschließen könnten, sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy nach Gipfel-Beratungen in Brüssel am Freitagmorgen. Beim Dezember-Gipfel der EU sollen die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande Bericht erstatten. Unterdessen wurde bekannt, dass die NSA offenbar bei zahlreichen Spitzenpolitiker mithörte.

„Misstrauen erschwert die gemeinsame Arbeit“, sagte die amtierende Kanzlerin in Richtung Washington. Eine Unterbrechung der Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit den USA sei bei den Gipfel-Beratungen aber nicht gefordert worden, erklärte sie. Das hatte der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, vor dem Treffen ins Gespräch gebracht.

35 internationale Spitzenpolitiker überwacht?

Das Allerwichtigste sei jetzt, mit den USA eine Basis für die Zukunft zu finden, sagte Merkel. „Für die Zukunft muss etwas verändert werden und zwar gravierend.“ So müsse das Thema Datenschutz vorrangig behandelt werden.
Die NSA überwachte nach einem Zeitungsbericht die Telefon-Kommunikation von 35 internationalen Spitzenpolitikern. Die Nummern habe die NSA von einem Beamten der US-Regierung erhalten, schrieb der britische „Guardian“ am Donnerstag unter Berufung auf Unterlagen aus dem Fundus des Informanten Edward Snowden.

Das NSA-Dokument stamme aus dem Jahr 2006, schrieb der „Guardian“. Namen seien darin nicht genannt. Die Telefone der 35 Top-Politiker seien unter insgesamt 200 Nummern gewesen, die der Beamte dem Abhördienst übergeben habe. Diese Informationen hätten auch den Zugang zu weiteren Telefonnummern ermöglicht, hieß es. Die Überwachung habe allerdings wenig berichtenswerte Informationen gebracht.

US-Sicherheitsbehörden warnen angeblich vor weiteren Enthüllungen

US-Sicherheitsbehörden warnen derzeit laut einem Bericht der „Washington Post“ befreundete Geheimdienste vor möglichen Enthüllungen auf Basis von Snowden-Dokumenten. Er habe Zehntausende Unterlagen mitgenommen, die Informationen über Spionage-Aktionen zum Beispiel gegen Iran, Russland oder China mit Hilfe von Diensten anderer Länder enthielten, schrieb das Blatt in der Nacht zum Freitag. Darunter seien zum Teil auch Staaten, die nicht offiziell mit den USA verbündet seien.

Die beteiligten ausländischen Dienste würden jetzt nacheinander vom Büro des US-Geheimdienstdirektors James Clapper informiert, hieß es. In einem der Fälle gehe es zum Beispiel um eine Spionage-Aktion gegen Russland, die von einem Nato-Land aus laufe. „Wenn die Russen davon wüssten, wäre es für sie nicht schwer, dem ein Ende zu setzen.“ „Die Vereinigten Staaten nehmen die Bedenken der internationalen Gemeinschaft sehr ernst“, sagte die sicherheitspolitische Sprecherin des Weißen Hauses, Caitlin Hayden, der Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag. Es gebe regelmäßig Gespräche mit „betroffenen Partnern“. Laufende diplomatische Diskussionen wolle sie aber nicht kommentieren. Auch die NSA äußerte sich auf dpa-Nachfrage nicht zu dem Bericht der „Washington Post“.

Beteiligte sich die US-Botschaft in Berlin an Ausspäh-Aktion?

An der vermuteten Spionageattacke gegen Merkel war möglicherweise die US-Botschaft in Berlin beteiligt. Dieser Verdacht soll sich, wie die „Süddeutsche Zeitung“ erfuhr, aus Unterlagen von Snowden ergeben. Auch die „Welt“ berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise in Berlin von dem Verdacht.

Der amtierende Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bestellte US-Botschafter John B. Emerson zum Rapport - ein ziemlich beispielloser Vorgang unter engen Verbündeten. Deutsche Sicherheitsbehörden vermuten, dass Merkels Handy längere Zeit angezapft wurde. In Dokumenten, die Snowden entwendet habe, befinde sich eine alte Handy-Nummer Merkels, berichtete die „Welt“ unter Berufung auf Sicherheitskreise. Merkel nutzte das betroffene Handy demnach von Oktober 2009 bis Juli 2013. Auch die Bundesanwaltschaft prüft die Hinweise.

Hans-Peter Friedrich: Ein massiver Eingriff in die Souveränität

25.10.2013: Können Angela Merkel und Francois Holland Licht in die NSA-Affäre bringen? Auch auf dem EU-Gipfel ist die Empörung über die Spähaktionen des US-Geheimdiensts groß. Bis zum Ende des Jahres soll eine deutsch-französische Initiative den Dialog mit den USA suchen.
25.10.2013: Können Angela Merkel und Francois Holland Licht in die NSA-Affäre bringen? Auch auf dem EU-Gipfel ist die Empörung über die Spähaktionen des US-Geheimdiensts groß. Bis zum Ende des Jahres soll eine deutsch-französische Initiative den Dialog mit den USA suchen.

© Reuters

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verlangt rasche Aufklärung von den USA. In der „Bild“-Zeitung forderte Friedrich Emerson zur Herausgabe von Informationen auf. Es sei klar, dass das „Abhören von Telefonen unter Partnern ein massiver Eingriff in die Souveränität unseres Landes und ein Vertrauensbruch“ ist. Die USA müssten sich bewusst werden, „dass unsere Bürger es nicht akzeptieren, ausgespäht zu werden. Es schadet dem Image der USA massiv, wenn sie so auftreten. Ich erwarte eine Entschuldigung der USA.“

CSU-Chef Horst Seehofer will als Konsequenz aus dem NSA-Skandal den Datenschutz zum Thema der Koalitionsgespräche machen. “Das muss sicher rein in die Koalitionsvereinbarung als eine der sehr dringlichen Aufgaben der großen Koalition“, sagte Seehofer der “Süddeutschen Zeitung“ vom Freitag. Die Bundesregierung müsse mit allem Nachdruck darauf hinwirken, dass der Schutz der persönlichen Kommunikationsdaten sichergestellt werde. “Wer eine Kanzlerin abhört, der hört die Bundeswehr ab, der hört die Wirtschaft ab, der hört auch Privatleute ab“, führte Seehofer aus. “Ich bin richtig sauer, dass eine große, demokratische Nation ganz offenkundig solche Regelverletzungen macht.“

Untersuchungsausschuss nicht ausgeschlossen

Die CDU schließt einen Untersuchungsausschuss des Bundestages zur NSA-Spähaffäre nicht aus. „Grundsätzlich lehne ich den Wunsch nach einem Untersuchungsausschuss nicht ab“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, mit Blick auf eine entsprechende Forderung der Linkspartei der „Leipziger Volkszeitung“ (Freitag). „Wenn ein Bezug zum Bundestag nachweisbar ist, können wir gerne darüber reden.“ Zunächst seien jedoch die USA am Zug. „Sowohl der amerikanische Geheimdienst als auch die amerikanische Regierung haben aber als erstes die Verpflichtung, rasch und umfassend klar zu machen, in welchem Umfang Abhörmaßnahmen stattgefunden haben.“ Er habe Zweifel, ob es dann „Aufgabe des Bundestages ist, den US-Geheimdienst zu kontrollieren“, so Grosse-Brömer. Dazu müsse man sich den möglichen Untersuchungsauftrag der Linken genau ansehen.

Merkel trennt strikt zwischen Partei- und Regierungskommunikation

Angela Merkel hat am Rande des EU-Gipfel das Rätsel aufgelöst, welches Handy mutmaßlich vom amerikanischen Geheimdienst NSA abgehört wurde. Sie habe beruflich nur ein Handy, das aber auf Konto der Partei laufe, “damit ja nie der Eindruck entsteht, ich würde Regierungsgelder für Parteikommunikation verwenden“, sagte Merkel in der Nacht zu Freitag in Brüssel.

“Für alle staatspolitischen relevanten Kommunikationen gibt es Festnetzleitungen, Kryptoleitungen, und wenn man nicht am Ort ist, auch Kryptohandys“, betonte sie. Das bedeute, dass die staatspolitisch relevante Kommunikation von solchen Handys geführt werde und nicht mit ihrem Mobiltelefon.

Sie habe sich bereits 2005, also dem Jahr ihres Amtsantrittes als Kanzlerin, für eine Parteifinanzierung ihres Handys entschieden. “Ansonsten sind die Aufspaltung zwischen dem, was Partei- und Regierungshandel ist, oft sehr, sehr schwer zu treffen.“ Merkel betonte, dass sie seit den Berichten über Abhöraktionen ihr Kommunikationsverhalten nicht geändert habe. “Ich habe eine....konsistente Logik meiner Gespräche. Deshalb glaube ich, dass jeder, der mit mir redet, im Grundsatz immer das Gleiche hört.“ (AFP/dpa/Reuters)

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