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EU-Gipfel: Es geht nicht nur ums Sparen

Die Schuldenkrise bestimmt das Treffen der EU-Regierungschefs. Welche Lösungen werden diskutiert?

Wieder einmal richtet sich der bange Blick der Staats- und Regierungschefs nach Griechenland, wenn sie an diesem Montag zum Sondergipfel in Brüssel zusammenkommen. Die Sorge, dass immer neue Finanzlöcher in Athen die bisherigen Rettungspläne infrage stellen, dürfte auch die „Chefs“ bei ihrem heutigen Treffen umtreiben. Aber eigentlich geht es ihnen um etwas anderes: Einerseits wollen sie mit dem sogenannten Fiskalpakt den Beweis antreten, dass sie sich strenge Regeln zur Schuldenbegrenzung geben können. Und auf der anderen Seite wollen sie den EU-Bürgern zeigen, wie sich auch in Zeiten der Schuldenkrise Wachstum erzeugen lässt.

Warum gibt es den Gipfel?

Auch wenn die Griechenland-Krise weiter schwelt, die US-Ratingagentur Standard & Poor’s Mitte des Monats neun Euro-Länder herabstufte und auch die Agentur Fitch am Freitag die Kreditwürdigkeit von fünf Ländern absenkte, so sind doch echte Horrormeldungen zum Zustand der europäischen Gemeinschaftswährung seit Beginn des Jahres ausgeblieben. Dass sich die Staats- und Regierungschefs der EU trotzdem so schnell wieder im neuen Jahr wiedersehen, hat vor allem damit zu tun, dass sie möglichst rasch die Beschlüsse des letzten EU-Treffens vom Dezember umsetzen und so die Märkte beruhigen wollen. Vor allem Kanzlerin Angela Merkel ist es, die Tempo macht.

Wird der Fiskalpakt gefestigt?

Die deutsche Regierungschefin möchte möglichst rasch den Fiskalpakt festzurren, der die „willigen“ EU-Staaten – Großbritannien zählt nicht dazu – zu einer strikten Haushaltsführung verpflichten soll. Dabei hat sich bei den bisherigen Verhandlungen über den neuen Pakt bereits eine Vereinbarung herausgeschält, die quasi-automatische Sanktionen für Defizitsünder vorsieht und alle Teilnehmerstaaten dazu verpflichtet, Schuldenbremsen in ihre Verfassungen oder ihre nationalen Rechtsordnungen zu übernehmen. Klar ist bereits auch, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) Verstöße gegen den Pakt ahnden kann.

Die Staats- und Regierungschefs müssen sich in Brüssel allerdings noch über einige Details des Paktes einigen, die einen hohen Symbolwert haben. So möchte Polen, obwohl es nicht zur Euro-Zone gehört, dem Pakt beitreten. Warschau dringt allerdings darauf, künftig bei allen Euro-Zonen-Gipfeln vertreten zu sein. Nach dem vorliegenden Entwurf des Fiskalpakts sollen Nicht-Euro-Länder wie Polen aber lediglich einmal pro Jahr am Gipfeltisch Platz nehmen können.

Welche Hindernisse gibt es?

Lösen müssen Merkel, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und Co. auch noch den Streit, wann der Fiskalpakt überhaupt in Kraft tritt. In den bisherigen Entwürfen für die Antischuldenvereinbarung ist die Rede davon, dass sie wirksam wird, sobald sie zwölf Länder ratifiziert haben. Nach Angaben aus EU-Kreisen kann etwa Frankreich mit dieser Lösung gut leben. Merkel möchte allerdings sicherstellen, dass mehr als ein Dutzend Länder beim Inkrafttreten der neuen Schuldenregel an Bord sind. Der Hintergedanke: Je mehr Staaten dabei sein müssen, umso mehr Defizitsünder unter den Euro-Ländern würden dabei auch zwangsläufig erfasst. Diese Staaten sind es ja schließlich auch, die mit dem Fiskalpakt an die Kandare genommen werden sollen.

Wird der Euro-Rettungsschirm erweitert?

Merkel steht beim Gipfel ihrerseits unter dem Druck mehrerer EU-Schwergewichte wie Italiens Ministerpräsident Mario Monti, einer Ausweitung des dauerhaften Rettungsschirms ESM zuzustimmen. Erst zu Beginn der Woche hatten die EU-Finanzminister beschlossen, dass der ESM am 1. Juli starten und über eine Ausleihkapazität von 500 Milliarden Euro verfügen soll.

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, unterstützt allerdings eine Variante zur Ausweitung des Rettungsschirms, wonach die verbliebenen Gelder in Höhe von 230 Milliarden Euro aus dem bestehenden Rettungsfonds EFSF, aus dem ohnehin noch bis Mitte 2013 Krisenstaaten wie Portugal und Irland unterstützt werden, auf den ESM draufgesattelt würden. Damit könnte sich das Ausleihvolumen des dauerhaften Euro-Rettungsschirms auf 750 Milliarden Euro erhöhen.

Auch wenn die Frage einer möglichen Ausweitung des ESM-Volumens bei diesem Treffen in Brüssel gar nicht ansteht und erst im März eine Entscheidung erwartet wird, so ist die Diskussion um eine Vergrößerung des ESM-Schirms schon entbrannt. Aus deutschen Regierungskreisen heißt es beschwichtigend, dass die Aufstockung des ESM bei einem Treffen zwischen Merkel, Monti und Sarkozy unmittelbar vor dem Gipfel „nicht auf der Tagesordnung“ stehe. Sowieso dürfte dafür nicht viel Zeit bleiben: Für das Dreier-Treffen ist lediglich eine halbe Stunde eingeplant.

Wie wollen die Staatschefs Wachstum generieren?

Laut der offiziellen Tagesordnung wollen sich die Staats- und Regierungschefs ohnehin vor allem mit der Frage befassen, wie die EU-Staaten auch in Zeiten knapper Kassen Wachstumsimpulse setzen können. Bei den „Chefs“ in Europa ist schließlich längst angekommen, dass die Geduld der Bevölkerung in zahlreichen Mitgliedstaaten angesichts immer neuer Sparbeschlüsse nicht ewig auf die Probe gestellt werden kann. Um diese Botschaft noch einmal zu untermauern, haben die drei wichtigsten belgischen Gewerkschaften an diesem Montag zum Generalstreik aufgerufen. Mit dem Streik wollen sie gegen den Sparkurs in Belgien und anderen EU-Staaten demonstrieren.

Wie EU-Ratschef Herman Van Rompuy in seiner Einladung zum Gipfel deutlich machte, wollen die Teilnehmer ihr Augenmerk unter anderem der Jugendarbeitslosigkeit widmen, die etwa in Spanien eine Quote von über 40 Prozent erreicht hat. Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen soll es darum gehen, Gelder aus den europäischen Sozial- und Strukturfonds, die noch nicht ausgegeben wurden, gezielter zur Förderung von Beschäftigung, der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und der Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen auszugeben. Anders als nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 gehe es aber jetzt nicht darum, „groß angelegte Konjukturprogramme“ aufzulegen, heißt es in Berlin weiter.

Wird auch über die Finanztransaktionssteuer diskutiert?

Auch der Dauerbrenner der Finanztransaktionssteuer dürfte den Gipfel beschäftigen. Denn Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy kündigte am Sonntagabend an, dass Frankreich zunächst im Alleingang ab August eine solche Börsensteuer einführen wird. Damit geraten die Mitglieder der Euro-Zone, nicht zuletzt Deutschland, unter Handlungsdruck. In einem deutsch-französischen Arbeitspapier unterstützt auch Berlin den Vorschlag der EU-Kommission zur Einführung einer solchen Steuer, die unter anderem den Hochfrequenzhandel an den Börsen eindämmen würde. Die Brüsseler Behörde schlägt vor, die Steuer nach dem sogenannten Ansässigkeitsprinzip in dem EU-Mitgliedsland zu erheben, in dem der betreffende Finanzakteur seinen Sitz hat. So soll vermieden werden, dass Finanzgeschäfte ins Ausland verlagert werden. Allerdings sperrt sich London gegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

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