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EU-Gipfel: Protektionismus Thema beim Sondertreffen

Der EU-Gipfel ist ein Signal gegen Protektionismus in der Wirtschaftskrise. Unterdessen werden die Hilferufe aus Osteuropa immer lauter.

Eigentlich ist die Zeit viel zu knapp, um sämtlichen Konfliktstoff aus dem Weg zu räumen, der sich in den letzten Wochen zwischen den EU-Staaten angehäuft hat: Gerade einmal drei Stunden soll der EU-Gipfel an diesem Sonntag in Brüssel dauern. Die Staats- und Regierungschefs wollen mit dem Sondertreffen den Beweis erbringen, dass sie bei der Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise eine gemeinsame Strategie verfolgen. Berlin will sich bei dem Treffen nach Angaben aus Regierungskreisen dafür einsetzen, dass von dem Gipfel ein „klares Bekenntnis zum gemeinsamen Binnenmarkt“ ausgeht.

Allerdings ist der Streit unter den EU-Staaten über die Frage, wie weit die Mitgliedsländer beim Schutz für die heimische Industrie jeweils gehen können, in den vergangenen Wochen ziemlich hochgekocht. Vor allem Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und der gegenwärtige tschechische EU-Ratspräsident Mirek Topolanek hatten sich in die Haare bekommen. Sarkozy hatte vergünstigte Kredite an die französischen Autobauer Renault und PSA Peugeot-Citroën in Höhe von sechs Milliarden Euro angekündigt und gleichzeitig verlangt, dass die beiden Hersteller keine Werke in Frankreich schließen. Außerdem hatte Frankreichs Präsident die Verlagerung von Produktionsstandorten nach Osteuropa mit den Worten kritisiert: „Dass man eine Fabrik in Tschechien baut, um Autos nach Frankreich zu verkaufen, ist nicht gerechtfertigt.“ Tschechiens Premier Topolanek reagierte empört und warf Sarkozy „protektionistische Schritte“ vor.

Wie die EU-Kommission am Samstag mitteilte, will Paris die Kredithilfen für Renault und PSA Peugeot-Citroën inzwischen nicht mehr von der Bedingung abhängig machen, dass die Standorte in Frankreich bevorzugt werden. Sarkozys Einlenken kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass Staatshilfen für bedrohte Autobauer in der EU allgemein im Trend sind. Die Kommission, die gegenwärtig Hilfen für die Autoindustrie in sechs Mitgliedsstaaten prüft, lehnt allerdings einen europaweiten Rettungsplan für die Automobilindustrie ab.

Neben der Autoindustrie muss sich der Gipfel mit den lauter werdenden Hilferufen aus osteuropäischen Staaten beschäftigen – Ungarn, Lettland und Rumänien verlangen EU-Notkredite. Obendrein geht vor allem bei kleineren osteuropäischen Mitgliedern die Angst um, dass sich die großen Mitgliedsstaaten mit Milliarden-Konjunkturprogrammen über Wasser halten, während sie selbst das Nachsehen haben. So hatte Polens Premier Donald Tusk der „Financial Times Deutschland“ gesagt, die großen EU-Länder müssten sich klar sein, dass sie eine „reale Gefahr für das Wesen“ der Union heraufbeschwörten. Nun wollen neun mittel- und osteuropäische EU-Mitglieder unmittelbar vor dem Gipfel auf Einladung Tusks ihrerseits ihre Haltung abstimmen. Mit ihrem separaten Treffen scheinen sie im Nachhinein den finnischen Außenminister Alexander Stubb zu bestätigen, der nach dem Berliner EU-Vorbereitungstreffen zum G-20-Gipfel vom vergangenen Wochenende die Vielzahl der unterschiedlichen europäischen Begegnungen kritisiert hatte: „Niemals zuvor in der EU-Geschichte gab es eine Zeit mit so vielen Gruppen.“

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