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Protest. Polnische Krankenschwestern demonstrieren im Brüsseler Europaviertel gegen Privatisierungen im Gesundheitswesen.

© dpa

EU-Gipfel: Warten aufs Wachstum

Beim EU-Gipfel diskutieren die Staats- und Regierungschefs über die Folgen des Sparkurses in ihren Ländern - wegen der unsicheren politischen Lage wird Italien zunehmend zum Sorgenkind in der Euro-Zone.

Alle Augen richten sich in diesen Tagen nach Rom. Das gilt auch für die Staats- und Regierungschefs der EU, die sich am Donnerstagnachmittag zum Gipfel in Brüssel versammelten. Allerdings galt deren Interesse nicht nur dem neuen Oberhaupt der katholischen Kirche, sondern auch der politischen Hängepartie, die sich in der italienischen Hauptstadt seit der Parlamentswahl vor knapp drei Wochen hinzieht. An diesem Freitag kommt das italienische Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen, ohne dass sich eine baldige Regierungsbildung abzeichnet.

Da es wohl noch eine Weile dauern wird, bis in Italien ein neues Regierungsoberhaupt ausgerufen wird, führt Mario Monti so lange weiter die Geschäfte. Der EU-Gipfel ist voraussichtlich das letzte Treffen der Staats- und Regierungschefs, an dem der seit 16 Monaten amtierende Ministerpräsident teilnimmt.

In Berliner Regierungskreisen hieß es vor dem Gipfel zwar, dass die Regierungsbildung in Rom wohl kaum ein Thema für das Brüsseler Treffen sein dürfte. Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Denn seit der Parlamentswahl, die dem Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi und dem Protestpolitiker Beppe Grillo einen großen Zulauf bescherte, gehört Italien wieder zu den Sorgenkindern in der Euro-Zone. Berlusconi und Grillo verbuchten auch deshalb einen Wahlerfolg, weil sie – jeder auf seine Weise – gegen den Sparkurs in der Euro-Zone im Allgemeinen und in Italien im Besonderen zu Felde zogen.

Angesichts des Wahlausgangs in Italien hat die Grundsatzfrage, wie scharf der Sparkurs in der Euro-Zone in Zeiten der Konjunkturflaute sein soll, zusätzliche Brisanz erhalten. Mit ebendieser Frage wollten sich die Staats- und Regierungschefs beim Abendessen am Donnerstag eingehend befassen. Vorsorglich sagte Italiens Regierungschef Monti am Donnerstag, er wolle beim Gipfel eine Lockerung der Defizitziele ausloten. Mit zusätzlichen staatlichen Investitionen – und damit einer höheren Neuverschuldung – solle die Wirtschaft wieder angekurbelt werden, hieß es aus italienischen Regierungskreisen. Italien steckt weiter in der Rezession; nach einer Prognose der EU-Kommission wird das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr noch einmal um ein Prozent schrumpfen.

Allzu viel Entgegenkommen können die Euro-Krisenländer allerdings von der Bundesregierung bei der Diskussion über die Defizitziele nicht erwarten. Zwar wird in Berliner Regierungskreisen von einer „wachstumsfreundlichen Konsolidierung der Haushalte in Europa“ gesprochen. Es gebe aber „keinen Spielraum, um von dem grundsätzlichen Pfad der Haushaltskonsolidierung abzurücken“, hieß es aus dem Kanzleramt.

Zur Kehrseite des Sparkurses gehört allerdings, dass die Arbeitslosigkeit in vielen Staaten der Euro-Zone weiter steigt. „Kein europäischer Staats- und Regierungschef kann angesichts von 26 Millionen Arbeitslosen froh sein“, sagte Irlands Premierminister Enda Kenny. Und Kommissionschef José Manuel Barroso nannte die wirtschaftlichen Aussichten „extrem besorgniserregend“. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy wiederum sprach angesichts der zumindest vorübergehend beruhigten Lage an den Finanzmärkten von einer zweigeteilten Entwicklung. „Wir erleben relative Stabilität auf der einen und soziale Not auf der anderen Seite.“

Die Gründe dafür sieht der Belgier freilich nicht in einer verfehlten Politik. Die Zurückhaltung bei den Investitionen habe auch damit zu tun, dass die Vertrauenskrise noch nicht überwunden sei: „Es liegt eben nicht nur an der sogenannten Austerität.“ Ursache ist Van Rompuy zufolge vielmehr der Zeitverzug zwischen Reformen und Resultaten „Und wenn das Wachstum dann zurückkehrt, vergeht ein weiterer Zeitabschnitt, bis es sich auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar macht.“

Eine allgemeine Lockerung des Sparkurses wird es indes vorerst nicht geben. Wohl aber hat dieser Gipfel den Weg dafür geebnet, dass einzelnen Ländern mehr Zeit für die Sparbemühungen gewährt werden kann. So verweist die geplante Abschlusserklärung nun auf „die Möglichkeiten, die der bestehende haushaltspolitische Rahmen der EU bietet“. Kommissionschef Barroso kündigte in diesem Zusammenhang an, dass seine Behörde bei der Erarbeitung der Länderempfehlungen „vor allem auf das strukturelle Defizit schauen wird“. Dieser konjunkturbereinigte Wert liegt in Frankreich unter der kritischen Drei-Prozent-Marke, was dem Land zusätzliche Etatkürzungen ersparen könnte.

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