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EU-Kommissar Spidla: "Leistungen werden sich vermindern"

Die Finanzkrise hat auch Folgen für die private Altersvorsorge, sagt Vladimir Spidla, EU-Kommissar für Beschäftigung und Soziales.

Herr Spidla, in Deutschland sind die Reallöhne seit 2000 um 0,8 Prozent gesunken – gegen den Trend in der EU. Bereitet das dem Brüsseler Sozialkommissar Sorge?

Wegen der Wiedervereinigung und der wenig später folgenden EU-Erweiterung ist Deutschland in gewisser Weise ein Sonderfall. Aus meiner Sicht ist es aber besonders interessant, dass sich in Deutschland die Lage auf dem Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren verbessert hat. Und diese Verbesserung kam vielen Menschen im Niedriglohnbereich zugute. Trotzdem bleibt die Frage wichtig, wobei man immer genau hinschauen muss: Einige Industriezweige entwickeln sich bei den Löhnen in Deutschland besser als der Durchschnitt.

Sehen Sie nicht die Gefahr, dass viele Arbeitnehmer immer größere Schwierigkeiten haben, eine private Altersvorsorge aufzubauen?

Es gibt keine einfache Antwort, denn gleichzeitig ist die Armut insgesamt ein wenig zurückgegangen. Es ist aber natürlich richtig, dass vor allem die kapitalfinanzierten Renten- und Lebensversicherungen von der gesamten Entwicklung auf dem Arbeits- und Finanzmarkt abhängig sind. Die Leistungen aus Pensionsfonds sind inzwischen geringer als in der Vergangenheit – das zeigen die Zahlen aus mehreren EU-Ländern.

Welche Auswirkungen wird die Finanzkrise Ihrer Meinung nach auf die Altersvorsorge in der EU haben?

In Europa insgesamt sind die Pensionsfonds recht gut geschützt. In gewissem Maß werden sich die Leistungen aus diesen Fonds vermindern. Nach meiner Meinung bietet diese Krise auch für uns in Europa einen Anlass, darüber nachzudenken, ob sich die Rahmengesetze verbessern lassen. Aber insgesamt ist die Situation nicht mit der Lage in den USA vergleichbar.

Inwieweit wird die Finanzkrise noch Europas Steuerzahler treffen?

Das weiß niemand. Man sieht aber ganz deutlich, dass die EU in dieser Krise gut reagiert hat. Hätten wir keinen Euro, keine Europäische Zentralbank und kein gesamteuropäisches Vorgehen, wäre die Situation katastrophal.

Wenn es nach Ihren Vorstellungen geht, dann soll das deutsche Gleichbehandlungsgesetz, das bislang vor Diskriminierung am Arbeitsplatz schützt, auch auf den privaten Bereich ausgedehnt werden. Dies haben die Bundesländer in der vergangenen Woche abgelehnt. Der Bundesrat warnt vor überflüssigen Belastungen für die Wirtschaft und das Justizwesen in Deutschland. Was sagen Sie dazu?

Bevor das geltende Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, in Deutschland beschlossen wurde, war überall von einer drohenden Klagewelle die Rede. Diese Welle ist ausgeblieben. Und die Erfahrung mit den Anti-Diskriminierungsgesetzen in Europa, die ebenfalls auf die Initiative der Kommission in Brüssel zurückgehen, zeigt, dass es nirgendwo Komplikationen gibt.

Vladimir Spidla

ist seit 2004 EU-Kommissar und in Brüssel für Beschäftigung und Soziales zuständig. Zuvor war er tschechischer Ministerpräsident. Mit ihm sprach Albrecht Meier.

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