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EU-Konjunkturpaket: Jonglieren mit Milliarden

Zahlreiche Mittel aus dem EU-Konjunkturpaket sind längst in den regulären Haushalten eingeplant.

Der Satz klingt wie ein Paukenschlag, mit dem die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union die Schlusserklärung ihres Brüsseler Gipfeltreffens einleiten: „Der Europäische Rat hat ein europäisches Konjunkturprogramm in Höhe von 1,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts der EU gebilligt – was etwa 200 Milliarden Euro entspricht.“

Bei näherer Betrachtung allerdings lässt das Brüsseler Konjunkturprogramm an magere Nachkriegszeiten denken, als die Kinder, die sowieso einen warmen Wintermantel brauchten, ihn dann als Geschenk hübsch verpackt zu Weihnachten bekamen. Die 200 Milliarden sind nämlich keineswegs neue Gelder, sondern stammen zum weitaus größten Teil aus ohnehin geplanten Projekten und Haushaltstiteln. Schön verpackt werden sie nun zum „europäischen Konjunkturprogramm“ zusammengefasst. Zu insgesamt 170 Milliarden Euro – oder jeweils 1,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) – sollen sich nach dem Willen Brüssels die nationalen Konjunkturprogramme addieren, die in den vergangenen Wochen in den europäischen Hauptstädten angekündigt wurden. Die von der Berliner Regierung eingeplanten 32 Milliarden Euro (rund 1,3 Prozent des Bruttoinlands produkts) gehören dazu. Deutschland hätte damit die Brüsseler Vorgaben klar erfüllt.

Experten von Brüsseler „Denkfabriken“, die sich die Ankündigungen der verschiedenen europäischen Regierungen in den vergangenen Tagen genauer angesehen haben, stießen jedoch auf trickreiche Hochstapeleien: Um den Wählern entschlossene Tatkraft vorzuspiegeln, werde mit Milliarden jongliert, die längst in den regulären Haushalten eingeplant waren oder die schlicht gar nicht zur Verfügung stehen. Das italienische Konjunkturprogramm, das Ministerpräsident Silvio Berlusconi mit 80 Milliarden Euro beziffert, schrumpfe, so rechnen Brüsseler Beobachter vor, bei näherer Betrachtung auf 3,5 Milliarden zusammen. Doch auch im deutschen Konjunkturprogramm werden zum Beispiel die staatlich geförderten Kredite mitgezählt.

Auch in Brüssel kann die EU-Kommission nicht neue Milliarden zur Konjunkturbelebung aus dem Hut zaubern. Der Umfang des EU-Haushalts liegt fest. Die EU-Behörde darf im Unterschied zu den Regierungen der Mitgliedstaaten keine Schulden machen. 30 Milliarden Euro der angekündigten 200 Milliarden sollen von der EU bereitgestellt werden, wurde in Brüssel nun beschlossen: 14,4 Milliarden aus dem EU-Haushalt, 15,6 Milliarden von der Europäischen Investitionsbank (EIB). Die Gelder aus dem EU-Haushalt stammen jedoch aus schon vorhandenen Strukturfonds.

Am Ende hat der EU-Gipfel dann trotzdem noch einstimmig einen Beschluss gefasst, der mehr Gelder für die Konjunktur lockermacht. Rund fünf Milliarden Euro, die in Brüssel nicht ausgegeben wurden und normalerweise an die EU-Mitgliedsländer zurückfließen, soll die EU-Kommission in konkrete Projekte investieren können: Forschung, Umweltschutz, Entwicklung klimafreundlicherer Autos. Normalerweise würde der deutsche Finanzminister eine Milliarde der nicht genutzten EU-Gelder aus Brüssel zurückerhalten. Darauf muss er nun im nächsten Jahr verzichten.

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