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Politik: EU-Krise: „Es gibt keinen Plan B“

Ratlosigkeit nach gescheitertem Gipfel / Ex-Agrarkommissar Fischler hält Kompromiss für ausgeschlossen

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Berlin - In der Bundesregierung herrscht nach dem Scheitern des Gipfels in Brüssel Ratlosigkeit. Es handle sich um „die größte Krise der EU seit ihrem Bestehen“, hieß es in Regierungskreisen: „Es gibt überhaupt keinen Plan B.“ Niemand habe im Moment eine Vorstellung davon, „wie der Scherbenhaufen zusammengekehrt oder gekittet werden kann“. Vor allem über das Verhalten des britischen Premiers Tony Blair ist man geschockt. Auch Frankreichs Europaministerin Catherine Colonna sieht die Schuldfrage eindeutig geklärt. Die Briten hätten den Gipfel scheitern lassen, sagte sie. Dagegen heißt es in London, Verhandlungsführer Jean-Claude Juncker habe sich eindeutig auf die Seite der Franzosen geschlagen. Deshalb sei sein Angebot am Ende des Gipfels nicht annehmbar gewesen. Außerdem habe er offensichtlich versucht, die Bündnispartner der Briten „herauszukaufen“, um am Ende des Gipfels einen Sündenbock zu haben.

Der frühere EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler sieht nach dem gescheiterten Gipfel für das kommende halbe Jahr keine Chance auf einen Kompromiss bei den EU-Finanzen, insbesondere was die Agrarsubventionen betrifft. „Die Bereitschaft, mehr zu zahlen, ist in den Ländern und bei den handelnden Personen gleich null“, sagte der Österreicher am Sonntag dem Tagesspiegel. Technisch gäbe es viele Kompromissmöglichkeiten, doch „eine Annäherung ist eine Frage des politischen Willens“. Man müsse deshalb „Anfang kommenden Jahres darauf zurückkommen“. Der Streit hatte auf dem Gipfel die Einigung über die finanzielle Ausstattung der EU von 2007 bis 2013 verhindert.

Vom 1. Juli an übernimmt Großbritannien die EU-Ratspräsidentschaft, an dessen Widerstand, den so genannten Britenrabatt zumindest einzufrieren, sowie dessen Kritik an den Agrarsubventionen der Gipfel vor allem gescheitert ist. Am 1. Januar 2006 geht der Ratsvorsitz an Österreich. Fischler betonte, jetzt „wäre auch die EU-Kommission gefragt, neue Ideen für die Lösung der Krise zu präsentieren. „Es wäre gut, wenn das noch im Herbst passieren würde.“ Man dürfe „auf keinen Fall zur Tagesordnung übergehen“. Zugleich kritisierte der frühere Kommissar die „Denkpause“ beim Verfassungsprozess, die sich die Staats- und Regierungschefs nach dem doppelten Nein in Frankreich und Holland selbst verordnet haben. „Das ist oft eine Pause vom statt zum Denken“, sagte er. Fischler forderte vor allem die Parlamentarier im EU- und den nationalen Parlamenten auf, sich mehr für eine europäische Öffentlichkeit einzusetzen, um den Bürgern die EU wieder näher zu bringen.

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